Brennendes Wasser
dafür war denkbar ungeeignet. Arnaud hatte eindeutig keine Lust, sich weiter hinhalten zu lassen.
»Stimmt, aber bevor ich abdrücke, könnte ich dich noch meinen bemalten Freunden hier überlassen. Die haben mit Sicherheit keinerlei Bedenken, dir wie einem Affen das Fell über die Ohren zu ziehen.«
Dieters Gesicht verlor den letzten Rest Farbe. »Ich wollte damit nicht sagen, ich würde es dir
unter keinen Umständen verraten.
Aber es muss doch Raum für Verhandlungen geben.«
»Dafür ist es leider inzwischen zu spät. Ich habe die ganze Sache satt. Ich habe
dich
satt.« Er hob die Pistole an Dieters Lippen. »Ich habe dein Lügenmaul satt.«
Es ertönte ein gewaltiger Knall, und die untere Gesichtshälfte des Deutschen zerbarst in einer roten Wolke. Das Monokel fiel herab, und der Körper kippte mit ungläubigem Blick nach hinten wie ein gefällter Baum.
Dann richtete der Franzose die rauchende Waffe auf Paul.
»Was Sie anbetrifft, so weiß ich nicht, ob Sie die Wahrheit sagen oder nicht. Vom Gefühl her glaube ich Ihnen. Bedauerlicherweise mussten Sie diesem Schwein einen Besuch abstatten.
Es ist nichts Persönliches, aber ich kann nicht zulassen, dass Sie jemandem von den hiesigen Vorfällen berichten.« Er schüttelte betrübt den Kopf. »Ich garantiere Ihnen, dass Ihre wunderschöne Frau nicht leiden wird. Ich mache es kurz und schmerzlos.«
Paul war dem Franzosen um Lichtjahre voraus. Dieters plötzliche Exekution hatte ihn überrascht, doch er wusste sofort, welche Konsequenzen sich daraus für Gamay und ihn ergaben. Man würde keine Zeugen dulden. Trouts hoch aufgeschossene Gestalt und seine zumeist schwerfälligen Bewegungen trogen. Falls nötig, konnte er durchaus flink reagieren. Er spannte die Muskeln an und bereitete sich darauf vor, Arnauds Handgelenk zu packen und den Mann zu Boden zu ringen. Ihm war bewusst, dass er sich dabei bestenfalls eine Kugel einfangen würde, aber vielleicht könnte Gamay im Zuge des allgemeinen Durcheinanders entfliehen. Sie hatten beide nichts zu verlieren.
Arnauds Finger legte sich um den Abzug, und Trout schickte sich an, seinen letzten verzweifelten Angriff zu unternehmen, als der Indio mit der Baseballmütze plötzlich ein halb ächzendes, halb stöhnendes Geräusch von sich gab. Er ließ die Schrotflinte fallen und blickte entsetzt auf den braunen Holzschaft eines übergroßen Pfeils, der mehr als einen halben Meter aus seiner Brust ragte. Die mit Widerhaken versehene Spitze schimmerte rot. Der Mann wollte nach dem Pfeil greifen, doch die schreckliche Wunde in seinem Leib forderte ihren Tribut, und er sackte neben Dieters Leiche zusammen.
»
Chulo!
«, brüllte einer der anderen Indios und wurde im selben Moment von einem ebenso riesigen Projektil gefällt. Seine Kameraden griffen den Schreckensruf auf.
»
Chulo! Chulo!
«
Es ertönte ein seltsames Geheul, und im Unterholz er schien ein gespenstisches blauweißes Antlitz. Dann noch eines, und binnen weniger Sekunden schienen die maskengleichen Gesichter überall zu sein. Weitere Pfeile schwirrten durch die Luft und fanden ihre Ziele. Fackeln wurden fallen gelassen oder in Panik zu Boden geworfen.
Mitten im Getümmel und der sich ausbreitenden Dunkelheit packte Paul seine Frau am Handgelenk und riss sie aus ihrer Erstarrung. Geduckt liefen sie in Richtung Fluss, beherrscht von nur einem Gedanken.
Das Boot.
Vor lauter Hektik hätten sie beinahe die schmale Gestalt umgerannt, die aus dem Schatten trat und sich ihnen in den Weg stellte.
»Halt!«, befahl eine weibliche Stimme.
Es war Tessa, Dieters Frau.
»Wir wollen zum Boot«, sagte Gamay. »Kommen Sie doch mit.«
»Nein«, erwiderte sie und deutete zum Ufer. »
Sehen!
«
Dort stiegen soeben Dutzende von blaugesichtigen Männern aus großen Kanus und liefen mit Fackeln in der Hand auf sie zu.
Die Frau zog an Gamays Arm. »Hier entlang ist sicherer.«
Sie führte die Trouts weg von der Lichtung und hinein in den pechschwarzen Wald. Zweige und Dornen schlugen nach ihren Beinen und Gesichtern, doch das Geheul wurde leiser. Die Trouts hatten den Eindruck, tief ins finstere Herz der Welt hinabzusteigen. Zumindest war es hier entsprechend heiß und dunkel.
»Wohin bringen Sie uns?«, fragte Gamay und blieb stehen, um wieder zu Atem zu kommen.
»Nicht anhalten. Chulo folgen bald.«
Wie zur Bestätigung gewann der merkwürdige Schlachtruf nun wieder an Intensität. Sie liefen noch einige Minuten weiter, bis Dieters Frau schließlich in einem Gehölz
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