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Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition)

Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition)

Titel: Brennpunkt Nahost: Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Armbruster
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und kleine Handwerker leben. Heute geht die Regierung in Damaskus gegen die eigene Bevölkerung mit elf Meter langen Scud-Raketen vor, die bis zu einer Tonne herkömmlichen Sprengstoff transportieren können. Wer sie abfeuert, muss wissen, dass er kaum festlegen kann, wo genau sie einschlägt; die Navigationseinrichtung der Rakete arbeitet ungenau. Irgendwo innerhalb eines Radius von fast einem halben Kilometer wird sie explodieren, also keine Waffe, um punktgenau militärische Einrichtungen zu zerstören. Die Scud-Raketen sind eher dazu gedacht, großflächig Ziele wie Wohngebiete anzugreifen, bei denen es nicht auf Genauigkeit der Zerstörung ankommt. Man will vielmehr möglichst viele Menschen töten und Angst und Schrecken mit den Raketen verbreiten, kurz, die eigene zumeist wehrlose Bevölkerung terrorisieren.
    Wenn das Regime in Damaskus glaubt, diese Bevölkerung mit dem Raketenterror gegen die Rebellen aufwiegeln zu können, irrt es sich allerdings gewaltig. »Assad ist der Terrorist!« oder »Assad – du Mörder!« Solche Graffiti kann man auf vielen Häusern in den Städten in Nordsyrien lesen. Die wenigsten der Menschen wollen Assad zurück: »Diesen Mörder am eigenen Volk? Nie und nimmer.« Das ist fast immer die Standardantwort.
    Allerdings treffen wir selten auf wirkliche Begeisterung für die Sache der Rebellen. Dazu dauert der Krieg schon zu lange, dazu bezahlen die Zivilisten einen zu hohen Preis. Ein weiterer Grund wahrscheinlich: Weder die Freie Syrische Armee noch die verschiedenen Djihadistengruppen können oder wollen die Bevölkerung wirklich schützen oder sind in der Lage, so etwas wie eine überzeugende Alternative zu bieten. Die Bevölkerung versorgen? Höchstens mit Almosen vom Golf. Uns wird auch erzählt, dass einige Kampfkommandanten kleine Handwerksbetriebe oder Fabriken beschlagnahmt haben und in die eigene Tasche wirtschaften. Nachprüfen lassen sich solche Geschichten nur schwer. Doch allein das Gerücht schafft eine unheilvolle Stimmung in der Bevölkerung.
    Die Not der Menschen begegnete uns in den belebten Straßen der Stadt: bettelnde Frauen mit Kleinkindern auf dem Arm. Sie strecken uns ihre Hand entgegen, deuten auf das Kind oder zeigen auf den Mund, um Hunger anzudeuten. Auch Männer in abgetragenen Anzügen sprechen uns an und bitten um Geld: »Ihr müsst uns helfen. Keiner tut es. Ich kann nichts für meine Kinder kaufen.« Aus dem Chaos des Bürgerkrieges wird nur zögerlich so etwas wie eine neue staatliche Ordnung erkennbar, und die lässt nicht viel Gutes ahnen, jedenfalls wenn man sich als gemäßigter Sunnit versteht. Darüber sollten wir am Abend mehr erfahren bei einem Gespräch mit einem solchen Djihadisten, der der Ahrar-a-Shams-Brigade angehört, auch sollten wir lernen, wie tief sich der Hass inzwischen in vielen Menschen festgefressen hat, der Hass gegen den militärischen Gegner, aber auch gegen andere Religionsgruppen in Syrien.
    Am späten Nachmittag fahren wir nach Azaz zurück. Der Tag war ruhig für diese Stadt, keine Raketeneinschläge, keine Artillerieangriffe. Die Bohrmaschine vor unserem Haus lärmt wie schon am Morgen, auf Wasser sind die Bohrer immer noch nicht gestoßen.
    In unserem Wohnhaus – ein Zimmer ist mit Bastmatten ausgelegt. Ein mit Öl betriebener Kanonenofen sorgt für ein bisschen Wärme. Hier essen, schlafen wir und versuchen das tagsüber Erlebte aufzuarbeiten. Einfach, aber ausreichend. An den Wänden stapeln sich die Matratzen, auf denen wir später schlafen werden. Im gleichen Haus lebt Anwar mit seiner Familie. Draußen rattert der Stromgenerator und liefert sich einen krachenden Wettkampf mit dem Bohrturm. Elektrizität gibt es von der Stadt maximal zwei Stunden am Stück. Wann, weiß niemand. Dennoch läuft der Fernseher ununterbrochen. Türkisches Programm. Das syrische Staatsfernsehen – »Assads Lügenkanal« – wollen unsere Gastgeber sich und uns nicht zumuten.
    Dann kommen die jüngeren Brüder von Anwar und bringen Teller und Schüsseln mit Essen. Huhn, Gemüse, Joghurt angemacht mit Knoblauch und Salz, Homus, Fatouch, ein grüner Salat mit gerösteten Brotstücken, Falafel oder ganz ordinäre Pommes. Dazu aus einem großen Glaskrug Ayran, ein Joghurtgetränk aus Salz, Minze und Knoblauch. Alles aufgebaut auf einem auf dem Fußboden ausgebreiteten Tuch, um das wir uns im Schneidersitz hocken. Unbequem für alle, die diese Sitzhaltung nicht gewohnt sind. Aber ein Festmahl, zu dem Anwar sich seinen Gästen gegenüber

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