Brennpunkt Nahost
Macht konzentrierte sich auf wenige. Das hat dazu geführt, dass die Unterschicht und die Mittelschicht immer mehr verarmten. Die Elite und das Regime wurden dagegen immer reicher und korrupter. Das hat letztendlich zu den Aufständen geführt.«
Eine kompromisslose Analyse, der sich eigentlich auch viele Syrer im Exil anschließen können müssten. Doch der Bruch zwischen der Exilopposition und der internen ist tief. Einer der Gründe: die Exilopposition verlangt ausländische Intervention, also Flugverbotszonen, NATO-Kampfflugzeuge über Syrien, außerdem Waffenlieferungen an die Rebellen, was die interne Opposition strikt ablehnt. Sie meinte, so zumindest 2012 noch jede Internationalisierung des Konfliktes vermeiden zu können. Außerdem sieht die Exilopposition in der internen so etwas wie Verräter, die klammheimlich mit Assad kungeln, von diesem gesteuert seien und sich als demokratisches Aushängeschild missbrauchen ließen.
Supreme Council for the Leadership of the Syrian Revolution (SCLSR) ist eines der wichtigsten oppositionellen Netzwerke in Syrien. Es versucht die bewaffneten Rebellengruppen logistisch und finanziell zu unterstützen. Mit welchem Erfolg, lässt sich nicht sagen.
Nationales Koordinierungskomitee für Demokratischen Wandel (NCC) sitzt in Damaskus. Das NCC ist die einzige maßgebliche Oppositionsgruppe, die vom Assad-Regime noch geduldet wird; arbeitet eng zusammen mit
Building the Syrian State , nennt sich inzwischen The Bridge . Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss gemäßigter Oppositioneller, die auf Verhandlungen mit der Regierung setzen und jede Einmischung von außen ablehnen. Angeführt wird sie von Louay Hussein, einem ehemaligen politischen Gefangenen und Mona Ghanem, einer ehemaligen Mitarbeiterin des Präsidenten Baschar al-Assad.
Kurdischer Nationalrat , gegründet am 26. Oktober 2011 im irakischen Arbil. Ist heute ein Zusammenschluss von 15 kurdischen Parteien. Wegen der Differenzen über die kurdische Autonomie nach einem Sturz von Assad zog dieser aus dem SNC aus.
Es besteht eine Allianz mit der Partei der demokratischen Union (PYD), die der türkischen PKK nahesteht und die arabischen Aufständischen bekämpft.
Zur internen Opposition gehört auch der Schriftsteller Louay Hussein, der selbst sieben Jahre lang als politischer Gefangener in den Gefängnissen Assads einsitzen musste, ohne je von einem Gericht verurteilt worden zu sein. Dort wurde er gefoltert, nach seiner Freilassung weiter überwacht, und das Land durfte er auch nicht verlassen. Mit seiner Bewegung Building the Syrian State hat er erstaunlich viele junge Syrer in Damaskus um sich versammelt. Die meisten allerdings dürften unserem Eindruck nach aus vermögendem Elternhaus stammen, also eher zu den Profiteuren der wirtschaftlichen Öffnung Assads gehören.
In einer der wohlhabenden Wohngegenden von Damaskus treffen wir ihn mit einigen seiner Anhänger. Ein großzügiges Haus mit Vorgarten, bequem mit Polstermöbeln eingerichtet, Stereoanlage und einem großen Flachbildschirm, der ständig läuft. Es gehört offensichtlich einem der jungen Syrer oder dessen Eltern. Louay Hussein, begleitet von der Ärztin Mouna Ghanim, die früher Syrien in verschiedenen UN-Organisationen vertreten hatte, sitzt hinter einem großen Schreibtisch:
»Das Regime darf nicht zusammenbrechen«, erklärte er uns auf Arabisch. Mouna übersetzt:
»Sonst bricht noch ganz Syrien endgültig zusammen. Wir wollen eine geordnete Ablösung des Assad-Clans.«
Soll Assad also im Amt bleiben? Nein, natürlich nicht auf Dauer, aber Assad als Übergangspräsident, das würden er und seine Freunde für eine gewisse Zeit hinnehmen. Wie das allerdings unter den Bedingungen dieses Bürgerkriegs gehen soll, konnte er bei der Begegnung im Sommer 2012 nicht erklären.
Was die verschiedenen Strömungen der internen Opposition in Damaskus voneinander unterscheidet, ist der Grad des Zorns auf das Regime. Die Skala reicht vom Verdruss über die Starrheit des politischen Systems und die Korruption bis zur Empörung über die Diktatur mit ihren Menschenrechtsverletzungen. Was sie eint, ist die Forderung: Das Regime muss weg, dies aber nur mit friedlichen Mitteln und ohne Einmischung von außen. Das ist der wichtigste Unterschied zur Opposition im Exil und zu den kämpfenden Rebellen. Die Mitglieder dieser verschiedenen Oppositionsbewegungen kennen sich untereinander und arbeiten eng zusammen. Saß man lange genug mit al-Khair zusammen, dann
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