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Brennpunkt Nahost

Brennpunkt Nahost

Titel: Brennpunkt Nahost Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Armbruster
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lösen können. Für mich erklärt sich die gegenwärtige Situation dadurch, dass es Kräfte gibt, die ein Interesse daran haben, Syrien zu zerstören. Das sind die USA und Israel. Jetzt zerstört das Regime in Damaskus, das sich immer als Regime des Widerstands gegen Israel dargestellt hat, das eigene Land unter den Augen der Israelis – mit den Waffen, die eigentlich gegen Israel eingesetzt werden sollten. Ich vermute, das Regime glaubt, dass die USA nach dem Ende dieser Zerstörung keine Alternative finden und akzeptieren werden, dass das Regime in ihrer Abhängigkeit bleibt und den Plänen der USA dient.
    Syrien ist ein unmittelbares Nachbarland Israels, und es spielte eine zentrale Rolle im Nahostkonflikt. Wenn Syrien zerstört ist, liegt das im strategischen US-amerikanischen und israelischen Interesse. Wenn das Regime sich retten kann, wird das die gesamte demokratische Entwicklung in der Region zurückwerfen. Auch das läge im US-amerikanischen Interesse. Die USA wollen kein demokratisches Syrien, weil sie Angst um die Golfstaaten, das Erdöl und die Petrodollars haben.
    »Wenn wir alle zusammenhalten, dann werden wir gewinnen. Wir wollen das Land nicht verlassen, wir wollen, dass alles so bleibt, wie es war. Wir wünschen nur, dass uns nichts zustößt.«
    Und Ajoub Ajoub, ein anderer Kirchgänger, lässt kein gutes Haar an der Opposition, für ihn ist die Verantwortung für die miserable Lage im Land klar:
    »Die Terroristen sind schuld an der Misere im Land. Sie alleine tragen die Verantwortung.«
    Ganz unbegründet sind solche Sorgen nicht. In Aleppo sind spätestens 2012 die ersten Brigaden nicht-syrischer Djihadisten aufmarschiert, kampferprobte Eiferer aus Ländern wie Irak, Sudan, Libyen und Tschetschenien, die in Christen und Alawiten Ungläubige und Kollaborateure, damit Feinde, sehen. Auch die Hetzparole der Islamistenkämpfer: »Die Alawiten in den Sarg, die Christen in den Libanon« hat sich bis nach Bab Tuma in Damaskus herumgesprochen. Der Propagandaapparat des Regimes greift solche Drohgebärden natürlich gerne auf, bauscht diese auf und schlachtet sie aus.
    Für die Gläubigen bekommen solche Gottesdienste, wie wir ihn erlebt haben, eine ganz neue Funktion in Zeiten der Krise. Sie sind Kraftquellen und sollen den Durchhaltewillen stärken: »Standhalten, nicht fliehen«, hatte auch der griechisch-orthodoxe Bischof Esaat Barakat in seiner Predigt gefordert, die Auswanderung könne nur das letzte Mittel sein, wenn akute Lebensgefahr drohe. Nach den Interviews mit seinen Gläubigen treffen wir ihn noch in der Sakristei. Er ist auf die westliche Presse offensichtlich nicht gut zu sprechen. Vielleicht geht sie ihm zu kritisch mit Assad um. Erst nach längerem Zögern ist er bereit, etwas in das Mikrofon zu sagen:
    »Die Gläubigen rücken enger zusammen und scharen sich um ihren Bischof. Das ist gut so; denn was unsere Zukunft in Syrien angeht, weiß keiner, wie sie aussieht. Außer Gott. Unsere Lage wird immer schlimmer. Von Tag zu Tag. Wir beten, dass es sich wieder zum Guten wendet.«
    Solche Ängste, wie sie unter den Christen verbreitet sind, haben auch andere religiöse Minderheiten in Syrien. Die Drusen zum Beispiel oder die noch kleinere Gemeinschaft der Schiiten, die von fanatischen Sunniten als vom rechten Glauben abgefallene Muslime angesehen werden.
    Am Nachmittag fahren wir von Damaskus nach Maaloula, ein kleines christliches Dorf, das malerisch am Fuß des Qalamun-Gebirges nahe der libanesischen Grenze liegt. Die Menschen behaupten hier, sie sprächen noch die Sprache, in der Jesus gepredigt habe, nämlich aramäisch. Weit über dem Dorf thronen gut sichtbar mehrere Klosteranlagen. Mönche und Nonnen haben sie in die schützenden Felsschluchten gebaut, darunter das Nonnenkloster Mar Thekla mit der Grotte und dem Grab der Heiligen Thekla. Die Kirche des Klosters soll aus dem 1. nachchristlichen Jahrhundert stammen. Damit stünde in den Schluchten der Qalamunberge das älteste Gotteshaus der Christenheit. Ohnehin sind die Christen die älteste Religionsgruppe Syriens, einmal abgesehen von den wenigen Juden, die es im Herrschaftsbereich Assads noch gibt. Saulus wurde hier vor zweitausend Jahren zu Paulus. Der Schrein Johannes des Täufers, in dem angeblich sein Kopf aufbewahrt wird, steht in der Gebetshalle der Omayyadenmoschee von Damaskus, als Heiligtum verehrt von Muslimen wie von Christen.
    Maaloula war zu Friedenszeiten ein Sehnsuchtsort frommer Christen, auch Sunniten pilgern

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