Brennpunkt Nahost
Menschenrechtsanwalts vom Geheimdienst überwacht. Schlägertrupps haben ihn auch mehrfach überfallen und zusammengeschlagen. 2007 war er von einem Gericht in Damaskus zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden, die er unter miserablen Bedingungen in einem Wüstengefängnis absitzen musste. In winzigen Zellen, die mit dreißig Häftlingen belegt waren, darunter Mörder und Schlägertypen. Der Grund: angebliche Verbreitung von Falschmeldungen über das Regime. Die fünf Jahre musste er voll absitzen. Erst im Mai 2011 kam er wieder frei.
Gemeinsam ist diesen Oppositionspolitikern, dass sie jede militärische Intervention von außen ablehnen, dass sie noch immer daran glauben, die Syrer können ihre Probleme selbst lösen. Gemeinsam ist ihnen aber auch, dass sie nicht als Christen auftreten, sondern als Syrer christlichen Glaubens, die mit Muslimen genauso zusammenarbeiten wie mit oppositionellen Alawiten. Religion spielt für sie politisch keine Rolle.
War es in den ersten fünfzehn Monaten der Auseinandersetzungen ruhig geblieben in Bab Tuma, dem christlichen Stadtviertel in Damaskus, änderte sich das schlagartig am 21. Oktober 2012, einem Sonntag. Um elf Uhr morgens explodierte in der Nähe des alten Stadttors eine Autobombe. Ziel war vermutlich eine nahe Polizeistation. Dreizehn Menschen starben, 29 wurden zum Teil schwer verletzt. Die meisten Opfer waren syrische Christen, viele nach dem Kirchenbesuch gerade auf dem Nachhauseweg zum Mittagessen. Glück im Unglück, dass der Platz bei dem Stadttor nicht so stark besucht war wie sonst an Sonntagen. Es gibt dort beliebte Straßencafés, die an Feiertagen regelmäßig überfüllt sind. An jenem Morgen des 21. Oktober saßen nur wenige Besucher in den bunten Sesseln, tranken Kaffee und rauchten ihre Wasserpfeife. Vermutlich weil es in den Tagen zuvor Gerüchte unter den Christen gegeben hatte, es könne in ihrem Viertel zu einem Anschlag kommen. Mit dem 21. Oktober 2012 aber war der Krieg dann tatsächlich und endgültig vor den Toren der syrischen Christen angekommen. Wer die Autobombe gezündet hat, ist unklar. Ein Bekennerschreiben gibt es bis heute nicht.
ALEPPO, Rebellenland, KARFREITAG 2013
Am nächsten Morgen ist Karfreitag, zumindest für zwei im Team, für meinen Freund, den Radioreporter Martin Durm, und für mich. Die Muslime feiern einen ganz normalen Feiertag mit Moscheebesuch und großer Predigt. In Aleppo sind wir mit einem Kommandanten der Freien Syrischen Armee verabredet, also einem jener Militärführer, auf die der Westen setzt. Außerdem wollen wir Verbandsmaterial in einem Krankenhaus abgeben. Es ist der letzte Tag unserer Drehreise in Nordsyrien. Am Abend wollen wir wieder in der Türkei sein, am nächsten Tag dann in den Libanon fliegen.
Es ist der erste sonnige Tag in dieser sonst so diesig-grauen und kalt-regnerischen Woche. Ein Frühlingstag wie aus dem Bilderbuch. Blauer Himmel, weite Sicht. Ein Tag zum Durchatmen. Nur Anwar, unseren Begleiter, kann sich nicht über die freundliche Stimmung freuen. Immer wieder schaut er in die Luft und sucht den Himmel ab. Der Sonnenschein ist für ihn offensichtlich ein Grund, eher noch beunruhigter zu sein als sonst schon. »Es ist gutes Flugwetter«, erklärt er uns. Jetzt verstehen wir. Er hat Sorge, Kampfflugzeuge Assads oder dessen Hubschrauber könnten plötzlich auftauchen.
Syriens Chemiewaffen
Nach Schätzung von Ahmet Üzümcü, General-Direktor der international anerkannten Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW), zufolge enthält das syrische Chemiewaffenarsenal 500 bis 1 000 Tonnen Senfgas, die Nervengase Sarin und Tabun sowie begrenzte Mengen des extrem giftigen VX-Kampfstoffs. Hauptsächliche Lagerstätten liegen vermutlich wenige Kilometer südlich der Stadt Homs und östlich von Damaskus, aber auch nahe Hama und bei dem Dörfchen al-Safira in der Region Aleppo.
Sarin und andere Nervengase gelten als besonders gefährlich. Sie lösen bei ihren Opfern laut der Organisation zum Verbot chemischer Waffen (OPCW) «eine schnelle Lähmung der Nervenzellen im ganzen Körper aus. Falls die Lähmung nicht sofort behandelt wird, folgt der schnelle Tod. Andere Chemiewaffen greifen die Atemwege, die Haut und das Blut an. Die überlebenden Opfer sind häufig entstellt und leiden jahrzehntelang unter gesundheitlichen Schäden. Zudem lösen CWaffen Traumata und andere schwere psychische Qualen aus.
Als potenzielle Trägermittel stünden etwa 250 moderne nordkoreanische
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