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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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wissen, welches Tier mir besonders gefiel, und hätte ich mich für irgendeines entschieden, er hätte es kurzerhand erwürgt und mir zum Geschenk gemacht. Ein weiteres Plüschtier in meiner Sammlung … Aber ich war damals kein kleines Kind mehr, und Plüschtiere begannen, mich zu langweilen, ich hätte es zwar verbrennen oder anderen Kindern schenken können, doch entschied ich mich dafür, die Tiere leben zu lassen.
Onkel, ich bin schon viel zu groß für Streicheltiere, und bald kann ich schneller laufen als du
, das habe ich gesagt, und der Onkel konnte meine zur Schau gestellte Wut gar nicht fassen.
    Zu Hause saßen wir beim Abendbrot, während die Sonne sank, hingen wir unseren Gedanken nach, der Onkel dachte vielleicht an eine verstorbene Tante, und ich wollte endlich auch ein Geheimnis haben, wo doch sogar der dicke Junge zwei Straßen weiter neulich erzählte, er hätte ein Geheimnis und sei nun ein völlig anderer. Ich wollte auch jemand sein, lag später in meinem Bett und konnte mein Unglück gar nicht fassen. Die ganze Nacht lag ich wach, und als der Morgen graute, kam ein Graureiher angeflogen, er segelte nur knapp am Fensterbrett vorbei und stand dann in unserem Garten … Dorthin, wo wir manchmal kauerten, ich und der Onkel, und der Graureiher war plötzlich der Dritteim Bunde. Mit seinem hässlichen Schnabel pflügte er Beete und Grasnarben um, er suchte wohl nach Würmern und Fröschen, warum ihm diese eigentlich schmeckten, das wusste ich wirklich nicht. Einmal stand ich mit dem Onkel vor dem Haus, er wollte mir den Unterschied zwischen Mann und Frau erklären, doch dann kam plötzlich der Reiher daher, er würdigte mich keines Blickes und ließ uns rat- und sprachlos zurück.
    Ich trat ans Fenster, die Siedlung lag still im Morgengrauen (nur die Briefträger und Schornsteinfeger waren schon auf den Beinen), und ich öffnete die Fensterläden, um mich etwas abzukühlen.
Verrätst du mir dein Geheimnis?
, schnaufte noch am selben Tag der dicke Junge, den ich zufällig auf der Straße traf und mit dem ich nur dann sprach, wenn mich ein schlechtes Gewissen plagte (was nicht oft der Fall war).
Du sollst dich nicht schlagen, nicht fluchen und nicht zu schnell erwachsen werden, du sollst nicht
, sagte der Onkel und wandte sich wieder seiner Zeitung zu. Ich wurde wohl gezeugt und geboren, um diesen Ort Heimat zu nennen, war bestimmt eines dieser Kinder, deren Zukunft im Dunkeln lag und die schon immer hier gelebt hatten, jedenfalls konnte ich mich an nichts anderes erinnern.
Nenn mich doch Bruder
, sagte mein Onkel völlig unverhofft.
    In meiner Straße lebten viele Kinder, die mit ihren Eltern von irgendwoher angekommen waren, wo doch die Siedlung schön abseits lag und man so manchen «Zerwürfnissen» ausweichen konnte. Meine Tante sagte einmal zu mir, es sei möglich, hier unterzutauchen, wenn man sich ruhig verhält, dann können einen die Häscher nicht finden. Was Häscher waren, wusste ich zwar nicht, doch ich erinneremich noch, dass ich nie einem von ihnen begegnen wollte. Andere Familien lebten schon immer hier, und niemand konnte sich noch daran erinnern, wie sie hierhergekommen und ob sie nur dageblieben waren, weil sie keine andere Wahl hatten.
    Ich erinnerte mich unversehens daran, als meine Mutter starb und der Onkel die Vormundschaft übernahm, da hätte ich fast Hand an mich gelegt, wo ich doch eigentlich schon mit der Mutter hätte sterben wollen, weil sie schließlich mein «Ursprung» war, und ohne sie, ohne einen «Anfang» war man doch von vornherein verloren. Ich dachte darüber nach, wie ich mich töten könnte, ohne den Onkel und die Tante zu vergrämen, sie waren doch gute Menschen, die alles für mich tun würden. Ich überlegte ernsthaft, mir an Onkels Kreissäge die Hand abzutrennen, der Blutverlust würde sein Übriges tun, mich in die Knie zwingen, und streunende Tiere könnten später gar mein Blut auflecken und auf den Geschmack kommen. Doch würde mich der Onkel (wie ich ihn kannte) gewiss zur rechten Zeit finden, mir mit seinem breiten Gürtel den Arm abbinden, er würde die Blutung stillen (mit seinen Salben) und mich bald wieder auf die Beine bringen. Mir fiel (bei näherer Betrachtung) damals wohl nichts Besseres ein, als doch am Leben zu bleiben, auch weil ich neugierig war und sehen wollte, was noch so alles passieren würde, wenn ich nur lang genug bliebe. Eines Tages wären gewiss alle Kinder der Siedlung erwachsen, vielleicht ließe sich mit ihnen reden, die

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