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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Alten lägen schließlich unter der Erde, und wir könnten die Siedlung endlich so gestalten, wie wir es wollten.
    Der Onkel erzählte mir manchmal, wie das Leben früher gewesen war, beschwerlicher und ursprünglicher, dass es noch nicht so viele Menschen in der Siedlung gab und sich die Tiere bis in die Flure wagten, dass sie keine Türen kannten und nur wenig Respekt zeigten.
Früher gab es hier noch Wölfe und Bären, die ich mir und der Tante vom Leib halten musste
, der Onkel ballte die schweren Fäuste. Wenn er mit seinen Händen in der Luft herumfuchtelte, konnte man sich gut vorstellen, wie schwer es die Wölfe und Bären früher gehabt hatten.
Wir mussten sie im Zaum halten, weil hier schließlich Kinder lebten
, sagte er,
sie wurden immer zahlreicher, und es war unumgänglich, Vorsicht walten zu lassen
.
Niemand konnte sich zu viel Aufsehen leisten
, wusste der Onkel,
und zu viele tote Kinder hätten genau das bewirkt. Und erst all die Stechmücken früher
, er lachte schallend.
    Die Soldaten in den Wäldern bahnten sich ihre Wege im Stechschritt, man konnte sie manchmal in der Ferne hören, wie sie marschierten, in unserer Siedlung waren die Kinder früh genug wach. Sie (also auch ich) stahlen sich aus den Häusern, einige in die Schule, aber oft genug in den Wald, die nassen Hosenbeine bewiesen es. Wir lagen dort auf der Lauer, wie längst vergessene Tiere des Waldes harrten wir aus, um einen verstohlenen Blick auf die vorbeiziehenden Soldaten zu werfen. Vereinzelte, versprengte Gruppen in ihren grünen Tarnjacken, die gern vom Weg abkamen und im Nebel verschwanden. Wir nannten sie Geister, weil sie immerzu vom Wald verschluckt wurden, kaum hatte man einen im Visier, verschwand dieser schon zwischen den Stämmen … Sie wiederum hätten ebensolches von uns behauptet.
    Der Onkel sprach nicht gern von Soldaten, ich stellte zu viele Fragen, und es gäbe Dinge, die mich nichts angehen, aber so kannte ich ihn gar nicht, und ich sagte, ich erkenne dich nicht wieder Onkel, und er behauptete Selbiges von mir. Oft genug spielte er mit mir, um später darüber zu lachen … Er tat plötzlich so, als würde er mich nicht kennen, als sei ich ein wildfremder Junge, der zufällig ins Haus gelaufen war und sich darin verfangen, der einfach nur Glück gehabt hatte, weil die Tür zufällig offen gestanden hatte. Er war zuvorkommend und höflich, bot mir etwas Trinkfertiges an, wollte wissen, woher ich kam, was meine Eltern so trieben, er behauptete, mich in der Siedlung noch nie gesehen zu haben, ich wäre doch bestimmt einer dieser bösen Jungen von ganz weit her, der zu ihm gekommen war, um ihn zu quälen. Mein Onkel konnte wirklich überzeugend sein, ich glaubte ihm jedenfalls jedes Wort, und nur, wenn ich wissen wollte, woher die Soldaten kamen und was sie hier wollten, blieb er mir die Antwort schuldig.
    Einmal sahen wir Soldaten, die immerzu auf Bäume schossen, sie luden ihre Gewehre und trafen die dicken Stämme an ihren empfindlichsten Stellen, doch die Bäume wichen nie zurück. Wir schlichen ganz nahe an ihre Lager heran und belauschten ihre Gespräche, sie handelten von Kindern und Geliebten, den Darlehen, die sie aufnehmen mussten, den strengen Vorgesetzten und den sinnlos gewordenen Schikanen. Dass sie nicht mehr wussten, wofür sie kämpften, und manche von ihnen sagten, dass sie nicht einmal mehr wüssten, ob sie überhaupt noch lebten oder längst tot seien, und wenn das hier der Tod sei, wären sie bestimmt in der Hölle und kämen nie wieder nach Hause.
    Hätten die Kinder der Siedlung Gewehre besessen, wir hätten alle Soldaten töten können, da sie uns nie bemerkten und wir sorglos Späße mit ihnen treiben konnten. Wir ließen etwa die Äste zurückschnellen und krächzten wie Käuzchen, wir spannten Schlingpflanzen zwischen die Bäume, und die Soldaten stolperten und fluchten. In der Schule saßen die frechen Kinder (also solche, die sich für allerlei Streiche begeistern ließen) übrigens in den ersten Reihen, weil sie angeblich mehr Zuspruch und Aufmerksamkeit brauchten, die Lehrer bemühten sich allemal redlich, die guten Kinder (richtige Mädchen und Musterknaben) kamen vielleicht auch deshalb viel zu kurz.
    Nachdem meine Tante verstorben war, ging ich nur noch selten zum Unterricht, weil ich glaubte, alles, was ich noch zum Leben brauchen würde, bekäme ich doch vom Onkel beigebracht (vielleicht war genau das ein großer Irrtum). Die Briefe meiner Mutter konnten doch gleichfalls nicht

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