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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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bei Laune hielten.
    Ich erinnerte mich, dass mir die Mutter einmal schrieb, dass man Bäumen und Sträuchern in unseren Breiten nicht trauen darf … weil sie doch immer die Sicht auf etwas noch
Wesentlicheres
verstellten. Und in der Tat waren die Wälder ein unergründlicher Vorhang, sie ließen niemals zu, dass man hinter ihren Horizonten andere Welten entdeckte, und wo sie versagten, nahmen Bergketten und Wolkenbrüche ihre Plätze ein.

XIII. Lackbotschaften

 
    Ich stellte mir vor, wie es wohl gewesen wäre, hätte ich mich im Bergbau versucht, die Berge und Landstriche auszuhöhlen schien mir keinesfalls erstrebenswert, vielmehr
parasitär
. In der Tat schnappte ich manchmal Worte auf, die in unserer Siedlung nichts verloren hatten, sie gehörten in eine andere Welt, die mich bei näherer Betrachtung erschaudern ließ. Sie brachten im Fernsehen unlängst einen Beitrag, der sich mit parasitären Strategien auseinandersetzte, ich konnte die unterschiedlichsten Möglichkeiten gar nicht fassen.
    Irgendwo lebte tatsächlich ein Wurm, der sich in den Mundhöhlen größerer Fische einnistete, um bald schon ihre Zungen aufzufressen, diese zu ersetzen und so an Nahrung zu gelangen. Die Fische akzeptierten den Wurm, weil er genug für sie überließ, sie
koexistierten
und konnten ohne den
Eindringling
auch gar nicht mehr überleben. Nach und nach veränderte der Wurm allerdings auch das Bewusstsein der Fische, er ließ sie jagen und schlafen, wann er es für richtig hielt, und die Fische verloren allmählich ihren Willen, und die Würmer konnten sich gemächlich in den Weltmeeren ausbreiten und überall nach neuen Wirten suchen.
    Ich erinnere mich, wie die Tante früher zu mir sagte, ich solle nicht an meinen Nägeln kauen, und sie untermauerte das Ganze mit einer Theorie, wonach sich Eier irgendwelcher Würmer gern darunter verfingen.
Die gelangen so in deinen Magen und fressen dich später von innen auf,
sagte die Tante,
doch zuvor musst du ganz viel essen und ihnen zu Diensten sein, und erst wenn sie sich zu langweilen beginnen und sich auf die Suche nach einem neuen Körper begeben, machen sie dem Ganzen ein Ende.
Solche und ähnliche Aussagen prägten meineKindheit, die Tante musste es schließlich wissen, und der Onkel widersprach nicht … Vielleicht waren wir längst von Würmern (oder Artverwandten) befallen, sie ließen uns am Leben, weil wir uns mit ihnen arrangierten, und solange wir taten, was sie wollten, gab es keinen plausiblen Grund, uns auszulöschen.
    Der Onkel wollte mir daraufhin das Fernsehen verbieten, weil er fand, dass sich solche Schauergeschichten für einen Jungen meines Alters nicht gehörten, die Tante (die damals noch lebte) pflichtete dem lautstark bei. Kaum war sie tot und begraben, fiel mir ein, dass sich nun wohl in ihrem Körper Würmer und Larven einnisten würden, um sie zu zersetzen und restlos (bis auf die Knochen) zu vertilgen, parasitäre Strategien waren jedoch bestimmt etwas völlig anderes.
    Gelegentlich wurden sogar Züge belagert und aufgebrochen,
sagte der Onkel,
Maskierte rissen die Schienen aus ihren Verankerungen, um an manchen Gold- und Urantransport zu gelangen.
Die Lokführer, Wachen und Passagiere wehrten sich zwar nach Leibeskräften (wo doch die Maskierten für gewöhnlich keine Zeugen am Leben ließen), zogen dabei aber fast immer den Kürzeren. Oft genug taumelten plötzlich verwirrte Gestalten durch die Siedlung, die den gierigen Schergen irgendwie entkommen waren. Blut floss aus ihren Ohren, und ihre Lippen bebten, sie suchten nach Worten, murmelten und wimmerten …
Banditen, Banditen.
Später gab es sogar Banden, die sich ausschließlich auf Urantransporte spezialisiert hatten, immer wieder sickerten die (geheimen) Fahrpläne der Züge durch, und die Maskierten warfen sich in die kleinsten Breschen, um die Waggons in ihre Gewalt zu bringen.
    Das Uran war zum begehrtesten aller Rohstoffe geworden, und es hieß, dass ganze Berge in der Nähe unserer Siedlung daraus bestünden, man brauchte das Erz angeblich für allerlei Technologien, Bomben und Experimente. Die Maskierten verkauften es an die Meistbietenden, diese wiederum an Parteien und Mittelsmänner, die bereit waren, noch mehr zu bezahlen.
Die waren keine wirklichen Menschen,
sagte der Onkel, sie schlichen durch das Land, Schemen und Schatten, die sich in ihrer Gier innerlich selbst aufzehrten.
    Einige in der Siedlung ließen sich anheuern, die Transportwaggons zu schützen … Sie lieferten sich fortan

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