Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
ein Kind mit allerlei Wünschen und Fluchtgedanken.
    Als ich noch sehr jung war und mit anderen Kindern durch die Wälder schlich, fanden wir einmal eine Höhle, die tatsächlich nichts mit den Minen gemein hatte, sie war von selbst in der Erde gewachsen, und ihre Wände waren übersät von bunten Zeichnungen, Tiere und Menschen und uns völlig unbekannte Symbole, die wohl Weibliches und Männliches darstellten (was sonst). Wir brachten am nächsten Tag bunte Kreidestifte mit und zogen die alten Konturen nach, immer und immer wieder, wir übermalten die alten Darstellungen, so sehr wollten wir Teil einer längst vergangenen Zeit sein.
    Oft genug bat ich den Onkel, mir irgendwo Lackfarben zu besorgen (die in unserer Siedlung selten und beinahe unerschwinglich waren), weil ich dachte, dass es doch darum gehen müsste, überall Zeichen zu hinterlassen, und
Lackbotschaften
weitaus geeigneter schienen, der Zeit zu trotzen. Gewiss hätte ich damit Bäume besprüht (und andere Kinder), Häuser (innen wie außen), Berge, Felsbrocken und Tiere, alle belebten und unbelebten Dinge. Ich hätte mich, wo es nur ging, verewigt und wäre (in diesem Tun gefangen) wohl niemals davon losgekommen …
Bestimmt wäre der teure Lack unser finanzieller Ruin gewesen
, sagte der Onkel.
    Er kaufte mir an manchen Sonn- und Feiertagen lieber Zitroneneis, auch reichlich
Masse,
um mich ausgiebig zu bekleckern, was gab es für ein Kind Schöneres. Oft genug blieben allerlei Mücken an mir hängen, sie gingen mir aufden Leim, wo sie doch dem Zitronenduft nicht widerstehen konnten.
Ich sei der geborene Fliegenfänger,
lachte der Onkel, und hätte er einen Fotoapparat besessen, bestimmt hätte er eine Aufnahme von mir gemacht und sie vielleicht sogar über sein Bett gehängt, gleich neben der Fotografie von seinem rechten Hosenbein.
    Eines Morgens glaubte ich tatsächlich, einen Hahnenschrei vernommen zu haben … Alle Müdigkeit und Hast fielen von mir ab, und ich lauschte voller Ungeduld im Dämmerlicht, allerlei Geräusche ließen sich in der Ferne erahnen, die Rufe eines Hahnes schienen allerdings nicht darunter. Ich erinnere mich nicht daran, jemals in unserer Siedlung einem Hahn begegnet zu sein, ich meine, bestimmt wäre mir dieser eigenwillige und eigenbrötlerische Vogel auf gefallen. Dies war umso verwunderlicher, wo es doch einen solchen an einem Ort wie dem unsrigen geben müsste … Es gab einen großen Misthaufen am Ende der Siedlung und reichlich Würmer und Maden in den morschen Baumstümpfen, Vorgärten und Vorratskammern, jedoch keine Hähne.
    Als ich vom Onkel wissen wollte, ob ihm jemals ein Hahn in einem der Höfe aufgefallen wäre, erklärte er mir, dass Hähne (wie auch noch paar andere Tiere) einer anderen Welt angehörten,
ihr Geschrei missfällt den Geistern, es durchdringt die dunkelsten Ecken und schreckt längst vergessene Erinnerungen auf, uns lässt es sogar schneller altern,
behauptete er.
Wo ein Hahn auftaucht, findet keiner mehr richtig Schlaf, sein Gekrächze und Gegluckse ist voller Spott, sogar dem Tod missfällt sein pulsierender Kamm, sagte der Onkel, ein Hahn schreckt seit jeher die Toten auf.
    Klar hatten wir früher in den Minen den einen oder anderen Hahn mitgenommen, die krächzten schließlich wie ein Uhrwerk,
lachte er,
selbst in der tiefsten Dunkelheit zeigten sie uns an, wann oben
(der Onkel zeigte zum Himmel)
der Tag anbrach und wann die Sonne sank und wann es
(spätestens)
Zeit war, erneut aufzutauchen.
Wenn so ein Hahn stumm blieb, dann musste man für gewöhnlich um sein Leben bangen … Giftige Dämpfe (die überall in den Minen austreten konnten) sickerten manchmal unversehens aus dem Boden und erstickten das dort wimmelnde Getier, die Ratten und Mäuse und auch manchen stolzen Hahn (bevor es den Menschen ans Leder ging).
    Natürlich mussten auch einige Minenarbeiter daran glauben, die vor Erschöpfung oder Trunkenheit in den Stollen eingeschlafen waren,
sagte der Onkel, und es war ihm anzusehen, dass er kein Bedauern für all diejenigen empfand, die sich gehen ließen oder ihre Pflichten vernachlässigten, schließlich gefährdeten (oder behinderten) sie das Leben aller.
Weil sie nicht taten, wofür sie bezahlt wurden,
meinte er grimmig.
Auch in den Minen musste man sich auf seine Nebenmänner verlassen können
(es war wie bei den Jägern und Soldaten im Krieg),
sonst blieb einem nichts anderes übrig, als vorzeitig die Segel zu streichen,
der Onkel lachte erneut auf.
Nein, die Minen waren kein

Weitere Kostenlose Bücher