Brenntage - Roman
Scharmützel mit den Habichten und Geiern, früher oder später starben sie irgendwann alle in den Bergen und Wäldern entlang der Schienentrassen.
Ich ließ mich selbst auf so manches ein
…, sagte der Onkel.
Es kam schon vor, dass wir den Maskierten im Wald auflauerten und das Uran (oder Gold) später an die Gesellschaften zurückverkauften. Wir bauten allerlei Fallen, Gruben mit Spitzhölzern und Gräben voller Vipern, die Maskierten verloren darin so manchen Trupp und wurden (oft genug) noch lebendig begraben, sie starben einen furchtbaren Tod, und ihr Jammern und Betteln ließ keinen von uns kalt.
In den Minen banden wir uns bei der Arbeit feuchte Tücher um Mund und Nase, viele trugen sogar Masken (mit Augenschlitzen), die den Staub daran hindern sollten, gänzlich von ihnen Besitz zu ergreifen. Einige bemalten diese mit allerlei Symbolen, oft auch nur mit stilisierten Narben und schwarzen Lippen oder übertrieben großen Reißzähnen. An manchen Tagen gaben die Gesellschaften tatsächlich Schutzkleidung und -brillen aus, doch reichtendie Bestände bei Weitem nicht aus, der stetige Lärm und Staub brachten irgendwann selbst die kräftigsten Männer an ihre Grenzen.
Der Lärm in den Stollen war in der Tat das reinste Inferno,
sagte der Onkel,
die Explosionen und kreischenden Grubenhunde, heisere Männerkehlen, hämmernder Steinschlag und das Grollen der Berge, die Schallwellen donnerten durch die Gänge und machten vor gar nichts halt.
Viele stopften sich Moos oder träufelten Wachs in ihre Ohren, einige gingen aus freien Stücken in die Nähe der Explosionsherde, um ihr Trommelfell platzen zu lassen, die Minen waren schon bald voller tauber Krüppel, die zusehends den Verstand verloren. Es schien so, als wäre unter der Erde ein Krieg entfacht (immerhin ging es um die wichtigsten Rohstoffe), die Maschinen glichen Geschütztürmen, die Hämmer und Meißel erinnerten an Kolben und Gewehrläufe, der Verschleiß an Mensch und Material überstieg den Nutzen allerdings bei Weitem.
Wer diese Verdammnis überlebte, starb oft im Schlaf, in den Baracken und Zelten, die sich überall in der Nähe der Minen fanden, wo doch Erschöpfung, Stillstand (Herz), Arbeitsverweigerung und Ähnliches häufige Todesursachen waren. Wer nicht mehr arbeiten wollte (oder konnte), wurde von den Gesellschaften fallen gelassen, sie überließen die ausgebrannten Menschen einfach ihrem Schicksal, ja schlimmer noch, viele verschwanden plötzlich, sie versickerten im Boden, ließen ihr Leben im Schlaf, die durchtrennten Kehlen bezeugten es. Tatsächlich waren die Jäger und Fallensteller (die für die Gesellschaften arbeiteten) des Öfteren damit beauftragt worden, Platz zu schaffen für neue (und frische) Arbeiter, sie räumten die Zelte und Hüttenauf ihre ihnen «angeborene Weise», es gab zudem immer weniger Fleisch in den Wäldern.
In manchen Stollen glichen die Minen wahren Irrgärten,
sagte der Onkel, und es war ratsam, sich den Weg zurück genau einzuprägen, ein jeder hatte da sein eigenes System. Einige setzten auf Farbmarkierungen (an strittigen Stellen), doch wurden diese oft genug im Laufe einer Schicht bis zur Unkenntlichkeit verwischt (bisweilen aus reiner Bosheit). Viele notierten sich die Wege auf vergilbten Papierfetzen (die sie immer bei sich trugen, bis sich diese in alldem Schweiß und Dreck vollends auflösten), manche ließen sich sogar kleine Pläne auf ihre Handrücken tätowieren, bis diese irgendwann nicht mehr ausreichten. Nach und nach wurde eine jede ihrer (für sie einsehbaren) Hautstellen mit einem Lageplan der Minen überzogen, die Oberschenkel und Bäuche, der Brustkorb und die Arme. Sie wahrten damit ihre Zuversicht, nach getaner Arbeit bis zum Tageslicht vorzudringen, doch wurden die Minen tagtäglich größer (und tiefer), neue Gänge tauchten auf und altbekannte verschwanden,
die Unterwelt hielt sich an keine uns überlieferten Regeln,
wusste der Onkel. Vielleicht auch nur, weil sich keiner von uns etwas scherte und es niemandem in den Sinn gekommen wäre, die Schuld bei sich selbst zu suchen … Der (gute) Lauf der Welt wurde möglicherweise so für immer verändert.
Ich selbst hegte lange den Wunsch, mich zu bemalen, die Siedlung und alle mir bekannten Wälder, Gesichter und Namen, ich wollte sie am Körper tragen, um mich immer daran zu erinnern, dass es sie tatsächlich gab. Dass sie ein Teil von mir waren und sich wie Netze über und unter mirspannten, dafür sorgten, dass ich blieb, wie ich war,
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