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Brenntage - Roman

Brenntage - Roman

Titel: Brenntage - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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die vorderste Front zu stellen … Der Onkel war einer der erfahrensten Schläger in den bröckelnden Stollen, erfuhr ich später, und ich stellte mir vor, wie er mit seinen großen Händen Kohle schaufelte und wie ihm ab und an der Schweiß von der Stirn tropfte und Schweiß und Staub allerlei seltsame Muster in sein Gesicht zauberten, dass sie die tiefen Furchen darin
auffüllten
und seinen Zügen zusätzliches «Charisma» verliehen.
    Mein Onkel wusste wirklich viel über die Minen, fast schien es, als hätte er sein ganzes Leben «unter Tag» verbracht (gewiss unter «erschwerten Bedingungen») und nur geduldig darauf gewartet, bis auch ich so weit bin, bis er mich mit den Tiefen der Berge vertraut machen und darin «versenken»kann.
Es gibt durchaus Stoffe, die das Erz verderben
, behauptete er eifrig,
sie werden daher mit Scheltnamen belegt … Blende, Kobold und Kupfernickel, Wofram und Misspickel, Katzensilber und Katzengold, das musst du unbedingt behalten!
Er meinte, ich müsse mir das auf jeden Fall merken, dass ein «Kobold» oder «Kobalt» etwas täuschend Giftiges darstellt, zwar silbrig schimmert, jedoch kein Silber enthält,
Scherbenkobalt,
lachte er,
der ging höchstens als Hüttenrauch in den Schornstein und setzte sich irgendwann als Arsenik
(giftig!)
ab, er ließ sich allerdings auch als Fliegengift gebrauchen.
    Bevor ich mir in allen Farben ausmalen konnte, wie man mit diesem «Kobalt» den Stubenfliegen den Garaus machte, präzisierte er seine Ausführungen …
den Wolfram nennen wir auch Wolfsruß, den schwarzen Zinnfresser, weil er beim Schmelzen das Zinn mit in die Schlacke reißt … und erst der Kupfernickel, der einen Kupfergehalt vortäuscht, tatsächlich aber keinen Ertrag abwirft und die an ihn gewandte Mühe zuschanden macht.
Der Onkel war etwas in Rage geraten, beruhigte sich allerdings schnell wieder und ließ nicht davon ab, mich mit der «Minensprache» vertraut zu machen.
Aus dem Festigkeitsgrad des Bodens ergibt sich die zu leistende Häuerarbeit … Einfach und leicht ist das Wegfüllen von rolligen Gebirgsmassen wie Dammerde, Sand und Geröll mit Schaufel und Kratze. Milde Massen wie Letten, mulmige Erze und faules Gestein können mit Keil- und Letthaue gewonnen werden. Das Gebräche, zu dem die meisten Spate und Erze gehören, erfordert Einsatz von Schlägel und Eisen … und erst die festen Gesteine, die muss man natürlich sprengen.
    Ich erfuhr an jenem Abend noch allerlei seltsames Vokabular … So war eine «Pinge» nichts anderes als eine Mulde,die durch oberflächennahen Abbau zu einer Absenkung der Erdoberfläche führte (was zumeist fatale Folgen hatte), ein «Alter Mann» wiederum ein Hohlraum, der durch Kohlegewinnung unter der Erde entstanden war und mit Gestein aufgefüllt werden musste, ein «Entenschnabel» stellte eine mechanische Fördervorrichtung dar, die «Firste» war die Gesteinsdecke der Gänge, ein «Sargdeckel» nichts anderes als ein Gesteinsblock, der sich von dieser Firste gelöst hatte, jedoch nicht vollends heruntergefallen war (weil er sich irgendwie verkeilt hatte), als «Strosse» bezeichnete man den Stollenboden und als «Wange» oder «Ulme» die Stollenseitenwand … «Schlägel», «Fäustel» und «Fimmel» waren einfache Hämmer bzw. Eisenkeile, ein «Schrapper» hingegen ein von einer Maschine an einem Seil über den Boden gezogener offener Kasten, der für den Abtransport des tauben Gesteins sorgte … keinesfalls zu verwechseln mit der «Haspel», die mittels einer Treibscheibe die Förderseile bewegte, und so weiter.
    Schon bald schwirrte mir nur so der Kopf, ich hatte keine Ahnung gehabt, dass man «unter Tag» eine vollkommen neue Sprache lernen musste, kein Wunder, dass die Geister auf keinen unserer Zurufe je reagiert hatten … Sie verstanden uns schlicht nicht. «Seiger» bedeutete senkrecht, «söhlig» tatsächlich waagrecht … Ich musste kichern, da ich daran dachte, dass so ein Geist im Baum söhlig am Ast saß, ob sich davon ein «selig» ableitete, wusste ich allerdings nicht. Ein «Flöz» war eine geologische Schicht, der «Ausbiss» wiederum der an der Tagesoberfläche erscheinende Teil eines Flözes, unter «Gezähe» fasste man allerlei Werkzeug des Bergmanns zusammen, bestimmt schwer und «zäh» zu schleppen (die «Panne» oder «Pannschüppe» vorallem … eine Schaufel), eine «Rösche» war nichts anderes als ein Graben oder Kanal, in dem Wasser abgeleitet wurde, und als «Kux» bezeichnete man den Anteil an

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