Bretonische Brandung
einen Durchbruch mit dem Hauptraum verbunden war, große Fenster hatte und noch einmal Platz für einige zusätzliche Tische bot.
Es gab nicht viel im Quatre Vents, eine kleine Auswahl an Getränken, hauptsächlich Bier, Wein und Hochprozentiges, ein wechselndes Plat du jour – den Fisch des Tages oder ein Entrecôte –, Sandwiches mit verschiedenen Fischrillettes, Fischsuppe, die Meeresfrüchte, die hier aus dem Atlantik zu holen waren: Krebse, Seespinnen, verschiedenste Muschel- und Schneckenarten: Bulots, Bigourneaux, Palourdes, Praires, Ormeaux. Aber vor allem, natürlich, die Hummer der Glénan. Über dem Haupteingang stand auf einem Stück Holz in weißen handgeschriebenen Buchstaben »Bar«, darunter »Les Quatre Vents«, rechts und links der Schrift flogen stilisierte Möwen. Vor dem alten Bootshaus lagen noch die Schienen, die bis tief ins Meer führten und auf denen das stolze Boot der Seerettungsgesellschaft so weit ins Wasser gebracht worden war, bis es selbst manövrieren konnte.
Dupins Laune hatte sich schlagartig gebessert, seit er im Quatre Vents saß. Es war großartig hier. Ihm war sofort klar gewesen, dass er diesen Ort liebte; augenblicklich hatte er einen Platz auf Dupins Liste der »besonderen Orte« erobert, die er führte, solange er sich zurückerinnern konnte. Orte, die ihn froh machten. Im Quatre Vents war alles echt, nichts arrangiert, dekoriert, um idyllisch zu sein. Und in der Tat, es war kein bisschen idyllisch, es war – umwerfend schön. Und, genauso wichtig: der café war perfekt. Dupins zweiter jetzt. Es gab keine Bedienung, man musste sich alles auf Holztabletts an dem langen Tresen in der Bar holen und konnte sich damit hinsetzen, wo man wollte. Dupin hatte sich mit dem Rücken zur Wand des Anbaus gesetzt, so konnte er die ganze Szenerie überblicken.
Links, vielleicht dreißig Meter entfernt, lag das größte Haus der Insel, das lang gestreckte ehemalige Farmhaus, das der legendären Segelschule als Zentrale diente: Les Glénans (mit »s«, die Inseln dagegen wider alle Grammatik ohne »s«). Sie war Ende des Zweiten Weltkrieges von ein paar idealistischen jungen Leuten aus der Résistance gegründet worden und hatte sich in den folgenden Jahrzehnten zur weltweit anerkanntesten Segelschule entwickelt, die sich schon bald auf fünf der Inseln verteilt hatte und mittlerweile Dépendancen in zwölf Ländern unterhielt. Das Gebäude glänzte leuchtend weiß, es musste erst vor Kurzem neu gestrichen worden sein, innerhalb von Monaten verloren selbst die resistentesten Spezialfarben am Meer ihren Glanz, so scharf setzten ihnen Sonne, Salz, Feuchtigkeit und Wind zu. Gegenüber der Segelschule, vor der sich ein kleiner länglicher Platz erstreckte, lagen zwei Austernbecken, deren solide Außenwände Richtung Meer zugleich eine Art Hafenmauer bildeten. Die Becken waren zur Hälfte mit einem Schuppen überbaut, der im Sommer als Austernbar diente, nicht schick – nichts war schick hier –, kein Gehabe und Getue, bloß köstlich.
Die vordere Wand des Schuppens brachte etwas Skurriles in die ansonsten vollkommen stimmige Szene: ein riesengroßes Gemälde, forciert naiv gemalt, auf dem typische Landschaften der Glénan, die bekanntesten Wahrzeichen der einzelnen Inseln und auch mythische Stoffe zu einem surrealen Panoramabild vermischt worden waren. Rechts sah man den Thron der Groac’h und sie selbst als hübsche junge Königin mit einem Fischschwanz. Genau in der Mitte des Bildes, auf einem Strand, stand ein großer Pinguin und schaute keck in die Gegend. Pinguine waren zwar Dupins Lieblingstiere, aber er grübelte doch darüber nach, was dieser dort zu suchen hatte, ein Brillenpinguin, wenn er sich nicht täuschte.
An der Seite des größeren Austernbeckens entlang führte der aus schwerem Beton gegossene, massive Quai, der sich bestimmt fünfzig Meter ins Meer zog. Hier legten in den Sommermonaten die vielen Boote an, die zwischen den Inseln und verschiedenen Orten an der Küste hin- und herpendelten. Dort hatte vor einer halben Stunde auch die Bir festgemacht. Der junge Polizist hatte die – vollkommen ergebnislose – Befragung des Engländers längst abgeschlossen und bereits am Quai gewartet.
Nicht weit von den Austernbecken begann einer der typischen karibisch anmutenden Strände der Glénan. Das Bemerkenswerte dieses Strandes war, dass er sich bei Ebbe, also jetzt, zu einer schier unendlich langen Sandbank ausdehnte, die aus Bananec, eigentlich die kleinere Nachbarinsel
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