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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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zurück und atmete tief durch. Versuchte sich wieder zu beruhigen. Erst jetzt bemerkte er, dass ihn die Leute an den anderen Tischen mehr oder weniger unverhohlen anstarrten. Er nahm es ihnen nicht übel. Gerade versuchte er ein bemühtes Lächeln in Richtung der beiden Gruppen, als sein Telefon ein weiteres Mal klingelte.
    Noch einmal Nolwenn.
    »Das Boot von Yannig Konan ist ausfindig gemacht worden. Es liegt wohlbehalten im Hafen von Bénodet. Er selbst ist noch nicht aufgetaucht – aber immerhin, das ist doch eine große Beruhigung. Der Präfekt sagt: Entwarnung.«
    Dupin fragte sich kurz, wie der Präfekt es fertigbrachte, so viele Telefonate innerhalb so kurzer Zeit zu führen und derart auf dem Laufenden zu sein, es nötigte ihm beinahe Respekt ab.
    »Das ist doch gut.«
    »Nur für den Matratzenhersteller. Die drei Toten bleiben tot.«
    Nolwenn hatte wieder Mal ins Schwarze getroffen.
    »Das ist schlimm, ja.«
    Er hatte sich angestrengt, den richtigen Tonfall zu finden. Es war ihm nur mäßig gelungen.
    »Dann hören wir uns sicher später, Monsieur le Commissaire.«
    »Ja. Nur noch …«
    In diesem Moment startete der Hubschrauberpilot den Motor. Der ohrenbetäubende Lärm war zurück. Dupin legte einfach auf. Kurz darauf tauchte der Hubschrauber über der Zentrale der Segelschule auf, stieg in beachtlichem Tempo und zog dabei bereits Richtung Südosten. Zurück zu den Méaban, vermutete Dupin.
    Die letzten Minuten waren grotesk gewesen. Aber er würde sich nicht beirren lassen. Er würde jetzt tatsächlich einen Hummer essen. In Ruhe. Es war inzwischen Mittag. Die Hinweise mehrten sich ja: Sie hatten es vermutlich mit einem Schiffbruch zu tun. Die Bir würde sich alles genauestens ansehen. Die Gegenstände, die man vom Hubschrauber aus gesehen hatte. Kireg Goulch und seine Leute würden den Hergang des Unfalls zuverlässig und rasch rekonstruieren. Das tyrannische Interesse des Präfekten am Fortgang der Ermittlungen hatte sich in dem Augenblick erledigt, in dem für ihn klar war, dass es sich bei einem der Toten anscheinend nicht um seinen Freund handelte. Großartig.
    Dupin erhob sich endlich und ging in die Bar. Hinter dem Tresen stand immer noch die junge Frau, bei der er eben schon den café geholt hatte. Sie lehnte wie zuvor aufreizend gelangweilt an der Wand, nahe dem Durchgang zum Anbau. Klein, nicht zierlich, aber doch schlank, schulterlange, matt-tiefschwarze Haare, bemerkenswert tiefbraune Augen, stupsnasig, vor allem aber: majestätisch unbeteiligt und fern. Dupin hätte hingegen geschworen, dass sie eben noch über der Jeans ein dunkelrotes T-Shirt getragen hatte, kein blaues. Er hatte schon beim Bestellen des cafés versucht, ein Gespräch zu beginnen, er war beeindruckend gescheitert. Mehr als ein »oui« und ein »s’il vous plaît« war aus ihrem Mund nicht zu hören gewesen. Auch dieses Mal blickte sie Dupin erst an, als er genau vor ihr am Tresen stand.
    »Ich nehme etwas Hummer.«
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis sie antwortete.
    »Es gibt einen halben Hummer. Oder einen ganzen.«
    »Gut. Ich meine, ich nehme einen ganzen.«
    Bisher hatte sie vollkommen regungslos gestanden, nun bewegte sie sich geschmeidig, katzenhaft und trat ohne ein Wort durch die schmale offene Tür in die Küche. Die Küche konnte nicht sehr groß sein, man sah, dass es bis zur Außenmauer höchstens zwei Meter waren. Am Ende des Tresens saß ein alter Mann in seine Zeitung vertieft. Er war Dupin vorhin bereits aufgefallen. Er wirkte so, als hätte er sich seitdem nicht bewegt. Er saß in exakt derselben Haltung, hatte weiße, dicht am Kopf anliegende kurze Haare, ein von der Sonne gegerbtes, tief gezeichnetes Gesicht. Sofort hätte man geschworen: ein würdiger alter Seemann. Wie vorhin hob er den Kopf nur ansatzweise, sein Blick streifte Dupin, und er machte eine minimale, aber freundliche Geste des Grußes. Es dauerte nicht lange, und die junge Frau kehrte mit einem rustikalen weißen Keramikteller zurück, auf dem die beiden Hummerhälften lagen, ein großes Stück Baguette, eine halbierte Zitrone und zwei weiße Schälchen, einmal mit Mayonnaise und einmal mit Rouille.
    »Und eine Karaffe Wasser, bitte.« Dupin zögerte. »Und ein Glas Muscadet.«
    Die junge Frau stellte den Teller auf ein Tablett, nahm eine der in einer langen Reihe aufgestellten Karaffen und goss, ohne jede Eile, den Wein ein.
    »Zweiundzwanzig Euro.«
    Dupin holte seine Brieftasche hervor. Jedes Mal war er aufs Neue fasziniert. In Paris

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