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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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wäre es irgendwann auch so zu einer Identifizierung der Toten gekommen – aber sicherlich wäre es sehr viel weniger unangenehm für ihn gewesen.
    Und ganz unabhängig vom Präfekten: Was bedeutete das alles? Wer war der dritte Tote? Konan und Lefort hatten zu zweit unterwegs sein wollen. Zumindest soweit sie wussten. Das waren sie anscheinend immer. Und warum lag Konans Boot in Bénodet? Sie waren auch nicht mit Leforts Boot unterwegs gewesen – hatten sie das Boot des dritten Toten genommen? Und noch einmal: Was war mit dem vermissten Angler, dem Mann aus Île-Tudy, der nicht der dritte Tote war?
    Dupin stieß einen verdrossenen Fluch aus.
    Das Gespräch mit Muriel Lefort war, wie erwartet, sehr schwer gewesen. Sie waren in ihr kleines, schlicht gehaltenes Büro der Segelschule gegangen, direkt neben dem »Accueil«. Die ersten Momente schien sie gefasst. Schießlich war sie in Tränen ausgebrochen und hatte nicht weiterreden können. Dupin war sich auf eine komische Weise schuldig vorgekommen. Madame Lefort hatte dann einige Minuten nur gesessen und geschwiegen, versteinert, den Kopf und die Augen gesenkt, den Blick ins Unbestimmte gerichtet. Man hätte nicht einmal sagen können, ob sie atmete. Dupin hatte ebenso still dagesessen. Dann war Muriel Lefort jäh aufgestanden und hatte darum gebeten, allein zu sein. Sie hatte versucht, ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. Selbstverständlich war Dupin einverstanden gewesen.
    Sie hatte sich umstandslos bereit erklärt, zur Identifizierung der Leiche nach Quimper zu fliegen, sobald sie sich dazu in der Lage fühlte. Sie hatte Dupin die Nummer ihrer Assistentin gegeben und gebeten, alles mit ihr zu organisieren. Dupin hatte natürlich ein paar dringende Fragen gehabt, aber es war nicht der Moment gewesen. Er würde später noch einmal mit ihr reden.
    Noch grässlicher als befürchtet war das Telefonat mit dem Präfekten gewesen. Ein langes, sehr umständliches, sehr anstrengendes Gespräch. Dupin war währenddessen genau einmal um die Insel gelaufen. Wieder und wieder hatte der Präfekt pathetisch ausgerufen, wie furchtbar tragisch und erschütternd dies sei, wieder und wieder hatte er wissen wollen, warum Dupin überhaupt weiter nachgeforscht hatte, was es mit den verschiedenen Booten auf sich hatte und wie und warum es überhaupt zu dem Unfall gekommen war – alles Dinge, von denen Dupin selbst noch nicht den blassesten Schimmer hatte. Es war eine unmögliche Unterhaltung gewesen. Wäre dem Präfekten nicht anzumerken gewesen, wie nahe ihm der Tod Konans ging – und es war jetzt an Locmariaquer, Konans Frau anzurufen, die er zuvor sicherlich noch wortreich beruhigt hatte –, und hätte Dupin nicht erstaunlicherweise eine Spur von Mitgefühl empfunden, es hätte in scharfen Wortscharmützeln geendet. Und diese wären ihm nicht gut bekommen, er hatte Erfahrung damit. Im jeweils letzten Augenblick hatte er sich unter Aufbietung aller psychischen Kräfte zusammengerissen. Der Präfekt hatte ständig von Dupins »Fall« gesprochen und Dupin jedes Mal angemerkt, dass es gar kein Fall sei, höchstwahrscheinlich nicht – sondern dass es ein Unfall gewesen sei. Dass es bisher keinerlei Hinweise gebe, die auf etwas anderes hindeuteten. Erst als Dupin dies lautstark eingeworfen hatte, hatte der Präfekt überhaupt reagiert und gebrüllt, dass dann ebendieser »Unfall« und seine »restlos penible Aufklärung« nun sein Fall seien. Dass Dupin und sämtliche anderen Mitarbeiter des Kommissariats von Concarneau so lange alles stehen und liegen lassen sollten. Und dass er, der Präfekt, höchstpersönlich und stante pede alle Verstärkung organisieren werde, die nötig sei. Danach war das Telefonat beendet gewesen.
    Dupin war bedient, seine Laune auf dem Nullpunkt. Kurz vor dem Quatre Vents bog er zum Strand ab, ging die breiten Holzstufen hinunter und dann links über die Felsen. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand überschritten, das war zu spüren, sie hatte doch noch nicht die volle Kraft des Sommers.
    So war es also. Das war nun sein Fall.
    Dupin hatte das Quatre Vents kurzerhand zur »Zentrale« erklärt, was seine Stimmung eine Spur aufgehellt hatte (wenn auch nur für kurze Zeit). Sie hatten einen der Tische und sechs Stühle von der Terrasse genommen und an die Seite des Anbaus, Richtung Tauchschule, gestellt. Es war Viertel nach vier. Dupin hatte sie nach dem Gespräch mit dem Präfekten alle zusammengerufen, seine kleine Truppe – mit der resolut

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