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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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Wind ab, von der Beschaffenheit der Meeresoberfläche und dem Wellengang. Vom Land, das vor dem Meer lag, der Landschaft und ihren Farben. Die wichtigste Gegebenheit war jedoch ein anderes Blau – der Himmel, der genau so variierte und selbst mit den Wolken kontrastierte. Sein Blau war es, das sich mit den unterschiedlichen Tönen des Meeres in einem unendlichen Zusammenspiel befand. Die Wahrheit lautete: Nie sah man dasselbe Meer, denselben Himmel, nicht einmal in ein und derselben Stunde an ein und demselben Ort. Und: Immer war es ein Spektakel.
    Dupin ging weiter, etwas schnelleren Schrittes. Er würde noch einen café trinken. Und auf Riwals Anruf warten. Und wenn der ebenfalls nichts ergab – wovon Dupin ausging –, würde er unwiderruflich zurück aufs Festland fliegen. So schön es hier auch war.
    Die Terrasse des Quatre Vents hatte sich merklich geleert. Dupin sah die drei Frauen der Familie Nuz jetzt ein erstes Mal zusammen, routiniert und geschickt räumten sie die Tische ab und brachten nach dem mittäglichen Ansturm alles wieder auf Vordermann. Nolwenn hatte recht, sie sahen sich auf fast unheimliche Weise ähnlich. Alle hatten sie die gleichen tiefbraunen Augen, die gleichen mattschwarzen Haare, vor allem eben die gleiche eigensinnige Stupsnase, die gleiche schlanke Statur. Solenn Nuz trug die Haare unterdessen, anders als ihre Töchter, kurz, à la Jean Seberg, und hatte zwei ausgeprägte Lachgrübchen. Die – wie Dupin, wenn auch nur mit Mühe, erkennen konnte – jüngere Tochter hatte ihrer Mutter etwas zugeflüstert, als er die Bar betreten hatte, ohne auch nur im Geringsten Anstalten zu machen, dies zu verbergen. Ein kurzer, kundschaftender Blick Solenn Nuz’ hatte Dupin gestreift, dann war sie wieder mit Gläsern und Flaschen hinter der Theke beschäftigt gewesen.
    Er hatte sich mit einem café auf seinen alten Platz gesetzt. Die Luc’hed war jetzt zu sehen. Sie hatte an einem der Boote angelegt, das ziemlich nahe an der Mole lag. Sie waren offenbar noch mit den Befragungen beschäftigt.
    Dupin merkte, dass er unzufrieden war. Ihm ging das alles zu langsam. Er würde einfach selbst Savoir anrufen. Sie mussten weiterkommen. Und er wollte sichergehen.
    Es dauerte etwas, bis Docteur Savoir abnahm.
    »Gibt es Neuigkeiten, Savoir?«
    »Mit wem habe ich das Vergnügen?«
    Dupin war sich todsicher, dass Savoir ihn auf Anhieb erkannt hatte.
    »Haben Sie ein Foto von Lucas Lefort mit den drei Toten verglichen?«
    »Ah, Sie sind es, Commissaire! Wir suchen nach weiteren Fotos und sind dabei, die Leiche zu untersuchen. Es kommt nur eine infrage, die es sein könnte. Sie hat schwere Verletzungen, teils auch im Gesicht. Wir bräuchten eigentlich ein Porträt, die meisten Fotos zeigen ihn auf dem Boot, bei Siegerehrungen, mit anderen Menschen. Und als Toter sieht man ohnehin anders aus. Sie müssen in Rechnung stellen, dass …«
    »Ich will wissen, was Sie denken, Savoir.«
    Dupin war lauter geworden. Einen Augenblick herrschte Schweigen auf der anderen Seite der Leitung.
    »Ich denke, er könnte es sein. Die Wahrscheinlichkeit ist groß.«
    »Was?«
    Dupin war fassungslos. Das war kaum zu glauben. Jetzt herrschte Schweigen auf seiner Seite der Leitung.
    »Sie denken, einer der Toten ist Lucas Lefort?«
    »Ich sagte, die Wahrscheinlichkeit sei durchaus gegeben.«
    »Sie sind sich also sicher.«
    Dupin hatte keine Lust auf Savoirs umständliche Art.
    »Ich denke, ja. Wir werden dennoch eine Identifizierung vornehmen, schon der Form halber, er hat eine Schwester.«
    »Und warum zum Teufel haben Sie mich nicht schon angerufen, als Sie den ersten Verdacht hegten?«
    » Ich arbeite gewissenhaft.«
    Wäre die Nachricht selbst nicht so dramatisch und einschneidend gewesen und hätte sie nicht eine Kette von Gedanken in Dupin ausgelöst – er wäre in die Luft gegangen.
    »Die Schwester wohnt auf den Glénan. Wir werden sie hierherfliegen müssen.«
    Dupin antwortete nicht. Er dachte nach. Es war wirklich Lucas Lefort. Einer der drei Toten war der Bruder der Frau, mit der er gerade gesprochen hatte. In dessen Haus er gerade gewesen war.
    »Haben Sie gehört, was ich gesagt habe, Monsieur le Commissaire?«
    Dupin zwang sich zurück in das Gespräch.
    »Haben Sie erste Anhaltspunkte zur Todesursache?«
    »Nein. Wir haben die Leichen eben erst ins Labor gebracht und uns dann ganz auf die Frage konzentriert, ob Lucas Lefort darunter sein könnte. Jetzt werden wir die Toten umgehend auf mögliche Läsionen

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