Bretonische Brandung
untersuchen, die nicht durch das Treiben im Meer zu erklären wären. Dann nehmen wir die Obduktion und die toxikologischen Tests vor, wir …«
»Ich verstehe.«
Dupin hatte in einem sehr rabiaten Tonfall gesprochen, der zumindest ein wenig seine Wirkung tat.
»Auf den Inseln konnte ich nicht viel machen. Was ich sehen konnte, sah nach äußeren Verletzungen aus, die durch Felsen und Klippen entstanden sein könnten. Aber das sind vollkommen unbelastbare Aussagen, die aller Wissenschaftlichkeit entbehren.«
»Wie lange werden Sie brauchen?«
»Wenn die Körper nicht länger als einen Tag im Wasser waren, werden wir nach der Öffnung des Brustkorbs binnen einer Dreiviertelstunde wissen, ob Ertrinken die Todesursache war. Jeweils. Ich …«
»Lefort hat nicht länger als zwölf Stunden im Meer gelegen, das kann ich bereits sagen. Die anderen also vermutlich auch nicht.«
»Dann beginnen wir mit ihm. Ich habe aus der Klinik zwei zusätzliche Assistenten angefordert. Ich …«
»Wir müssen wissen, womit wir es zu tun haben.«
»Darüber bin ich mir im Klaren, Monsieur le Commissaire, wir warten …«
»Savoir.«
»Ja?«
»Schauen Sie im Internet nach Fotos von einem Yannig Konan. Yan – nig Ko – nan. Ein bekannter Großunternehmer, hier aus der Bretagne.«
»Sie vermuten, dass er einer der beiden anderen Toten ist?«
»Wir werden sehen.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie hatten eine gemeinsame Bootstour vor. Es ist zwar nicht …«
Dupin stockte. Ihm war eigentlich überhaupt nicht danach, Savoir auch nur im Geringsten einzuweihen.
»Das ist unerheblich. Schauen Sie einfach nach Yannig Konan.«
Dupin hätte fast aufgelegt, bevor Savoir noch etwas sagen konnte, hielt aber inne.
»Savoir, noch eine Sache.«
»Ja?«
Das »Ja« sprach Bände.
»Ich werde Madame Lefort selbst in Kenntnis setzen. Ich habe eben ihre Bekanntschaft gemacht. Ich werde ihr sagen, wie es ist. Und auch, dass man sie in Quimper für die Identifizierung benötigt.«
»Der Hubschrauber wird sie abholen. Wir sollten keine Zeit verlieren.«
»Nein, das sollten wir nicht. Melden Sie sich umgehend – auch wenn es sich nur um eine ›Vermutung‹ handelt, ich …«
Jetzt hatte Savoir aufgelegt.
Dupin erhob sich. Auch wenn sie sich vielleicht nicht nahegestanden hatten, Muriel Lefort und ihr Bruder, es würde ein Schock sein. Und eine Identifizierung war immer furchtbar.
Er ging an der Mole vorbei. Rechts davon, an der ersten Boje, lag ein Speedboot. Knallrot, schmal, lang gezogen. Er hatte es am Morgen trotz seiner Auffälligkeit nicht wahrgenommen. Es gehörte einem Toten.
Es waren nur ein paar Meter bis zur Segelschule. Die ungewöhnlich breite Tür stand weit offen. Im Eingang rechts befand sich der »Accueil«.
Er trat ein. In dem Augenblick – er war noch nicht ganz über die Schwelle – schrillte sein Handy. Savoir.
Dupin machte auf der Stelle kehrt und nahm ab.
»Sie hatten recht, Monsieur le Commissaire!«
Savoirs Stimme vibrierte ein wenig, auch wenn er sich offenkundig bemühte, cool zu wirken.
»Es ist Yannig Konan. Er ist es. In diesem Fall definitiv. Die Leiche hat keine bedeutenden Verletzungen im Gesicht. Er ist anhand der Fotos, die wir im Internet gefunden haben, eindeutig zu identifizieren.«
Dupin war Richtung Austernbar gelaufen.
»Keinerlei Zweifel?«
»Für mich bestehen keine Zweifel. Nein.«
Dupin fuhr sich mehrere Male wild durch die Haare. Dann blieb er stehen.
»So ein Scheiß.«
»Bitte?«
»Großartig. Das wird Aufsehen erregen. Ein guter Freund des Präfekten. Und wir tappen noch vollkommen im Dunkeln.«
Dupin hatte mehr zu sich selbst gesprochen als zu Savoir.
»Ein Freund von Locmariaquer?«
»Ja.«
»Oh. Dann wird er eine große Sache daraus machen. Ich gehe davon aus, dass Sie ihn umgehend unterrichten werden, Monsieur le Commissaire. Ich gehe wieder an die Arbeit. Wir werden die Untersuchungen so schnell wie möglich vorantreiben.«
Das hatte er nun von seiner Beharrlichkeit, eigentlich davon, dass er unbedingt noch den Hummer hatte essen wollen – er hätte sein planloses Herumstöbern sicher nicht auf dem Festland begonnen. Dupin hatte die Dinge ins Rollen gebracht. Jetzt war es an ihm, dem Präfekten persönlich die Nachricht vom Tod seines Freundes zu überbringen, und das, nachdem der Präfekt selbst erleichert »Entwarnung« gegeben hatte. Und das auch noch, nachdem er Muriel Lefort persönlich die Mitteilung vom Tod ihres Bruders gemacht haben würde. Natürlich
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