Bretonische Brandung
nicht da ist. Außerdem, ob Sie die Opfer kannten und woher jeder Einzelne von Ihnen kommt, ob er an einem Tauch- oder Segelkurs teilnimmt oder auf einem Segeltörn ist. Von großer Dringlichkeit ist ebenso die Frage, ob Sie beide oder eins der beiden Opfer mit dem dritten Toten zusammen gesehen haben, einem gewissen Grégoire Pajot? – – – Danke für Ihre Mitarbeit. Wir werden Ihre Personalien festhalten. Das ist polizeiliche Routine.« Dupin machte eine längere Pause und ließ den Blick unverhohlen über die Gäste wandern. Die meisten wirkten wie versteinert und schienen während seiner Rede nicht geatmet zu haben. Selbst die beiden Nuz-Töchter standen wie angewurzelt.
»Meine Inspektoren werden jetzt von Tisch zu Tisch gehen und mit Ihnen sprechen. Wenn Sie bitte alle bis zum Abschluss dieser Befragung den Raum nicht verlassen würden.«
Dupin hatte das Gefühl, dass die Entscheidung richtig gewesen war. Jetzt hatte der Fall Realität. Es war raus. Nun mussten sie hellwach sein. Genauestens hinschauen. Das Spiel war eröffnet.
Mit entschiedenen Schritten ging Dupin zu Riwal und Kadeg. Immer noch herrschte absolute Stille im Quatre Vents. Dupin murmelte: »Riwal, Sie die linke Seite, Kadeg, Sie die rechte.« Die beiden Inspektoren drehten sich um und machten sich ohne Umschweife an die Arbeit. Erst ganz allmählich war ein zaghaftes Tuscheln der Gäste zu hören, das sich langsam steigerte.
Solenn Nuz war, während Dupin gesprochen hatte, in der Küche gewesen, erst jetzt trat sie heraus, blieb aber fast noch im Durchgang stehen, ein Blatt Papier in der Hand. Dupin gestikulierte vage etwas in ihre Richtung und ging dann zu ihr. War ihr eben in Hinblick auf den Unfalltod der drei Männer kaum eine Regung anzumerken gewesen – und sie hatte ja zwei von ihnen gekannt –, so wirkte sie jetzt doch aufgewühlt.
»Das ist schwer zu glauben. Sind Sie sich sicher, Monsieur le Commissaire? Dass es Mord war?«
»Vollkommen sicher. Uns liegen belastbare Blutanalysen vor.«
Sie schwieg einen Augenblick.
»Wem gehörte das Boot, das man gefunden hat?«
»Grégoire Pajot. Conquerer heißt es, eine Bénéteau. Gran Turismo. Wohl – sehr groß. Sie waren mit seinem Boot unterwegs, zumindest gestern Abend.«
»Der Name Grégoire Pajot sagt mir nichts.«
»Auch dazu können wir selbst noch gar nichts sagen. Wie die drei zusammengekommen sind, wo sie zuvor waren und so weiter«, Dupin war etwas eingefallen, das hatte er eben vergessen: »Wir werden Ihnen und den Gästen ein Foto von Monsieur Pajot zeigen. Einen Augenblick bitte, Madame Nuz, ich bin gleich zurück.«
Dupin ging zu Kadeg, der an einem der Tische an der rechten Seite der Bar stand.
»Wir brauchen sofort ein Foto von Pajot. Sie haben doch dieses Ding.«
In Kadegs Augen blitzte Genugtuung auf – jetzt brauchte man sein Smartphone plötzlich dringend. Dupin war es ausnahmsweise egal, er wollte das Foto. Kadeg hatte sein Gerät schon gezückt und tippte mit seinen ganz und gar nicht grazilen Fingern auf dem winzigen Bildschirm herum. Dupin erhob noch einmal kräftig die Stimme:
»Mesdames, Messieurs, eine Sache noch. Wir werden Ihnen ein Foto von Monsieur Pajot zeigen – wir wüssten gern, ob ihn jemand kennt oder zumindest in den letzten Tagen gesehen hat.«
Kadeg stand mit einem stolzen Lächeln vor ihm und hielt ihm das Telefon unter die Nase.
»Ein Foto auf der Website eines seiner Unternehmen.«
Bevor Kadeg noch etwas sagen konnte, hatte Dupin ihm das Telefon aus der Hand genommen und sich umgedreht. Er ging zu Madame Nuz zurück.
»Könnten wir uns wohl wie eben bei Ihnen hinten in die Küche setzen? Das wäre gut.«
»Aber natürlich. Kommen Sie«.
Sie setzten sich an den kleinen Tisch.
»Das hier ist Monsieur Pajot.«
Madame Nuz studierte das Foto eingehend, bevor sie etwas sagte.
»Nein. Ich habe ihn hier tatsächlich noch nie gesehen. Vielleicht kam er zum Segeln oder Tauchen. Aber nicht ins Quatre Vents. Sie sollten bei der Segelschule fragen. Auch bei Anjela Barrault, der Leiterin der Tauchschule. Sie ist eine Freundin von mir.«
»Das werden wir.«
»Meine Töchter und ich haben uns zusammengesetzt, um die Liste mit den Leuten von gestern Abend anzufertigen«, sie hatte sie immer noch in der Hand gehalten und legte sie jetzt vor Dupin auf den Tisch.
»Ist Ihren Töchern denn noch jemand eingefallen, an den Sie nicht gedacht hatten?«
»Nur Muriel Lefort. Sie war anscheinend kurz da und hat auch mit ihrem Bruder
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