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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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›Aufenthaltsraum‹. Und ›ein gutes Restaurant‹?«
    Der Tonfall machte deutlich, dass Nolwenn dies nicht lustig fand.
    »Sie wollte sich dort ›mit einer alten Freundin‹ verabreden. In zwei Tagen komme sie immerhin bereits an – und es seien noch ein paar wichtige Fragen zu klären.«
    »Ich werde sie anrufen. Bestimmt.«
    »Gut.«
    Er musste sie wirklich anrufen. Sonst würde sich alles nur unnötig zuspitzen. Eigentlich musste er ihr ehrlicherweise sagen, dass er im Augenblick nicht mal wusste, ob er übermorgen Zeit haben würde. Er hatte keine Ahnung, wie lange er in diesem Fall stecken würde, aber er konnte sich keinen größeren Albtraum vorstellen, als seine Mutter währenddessen zu Besuch zu haben.
    Dupin war an seinem Ziel angekommen: einer großen Total-Tankstelle am letzten rond-point von La Forêt-Fouesnant. Sie war groß genug, um café zum Mitnehmen anzubieten, was in der Bretagne nicht besonders angesehen war und außer an Tankstellen niemand tat.
    Dupin hielt unmittelbar vor dem Eingang. Als er wenig später mit zwei kleinen Pappbechern, einem Croissant und dem Petit Indicateur des Marées Bretagne-Sud wieder im Auto saß, rief Nolwenn bereits zurück. Der »Petit Indicateur« war eine legendäre Institution: ein signalrotes Heft im Brieftaschenformat, das für ein ganzes Jahr alle Ebben und Fluten mit Koeffizienten genau auswies. Er würde sicher nützlich sein.
    »Monsieur Leussot ist tatsächlich auf seinem Boot. Zwischen den Moutons und den Glénan. Er hat dort allerdings keinen Empfang. Er ist aber über Funk zu erreichen. Wenn Sie wollen, funke ich ihn an.«
    »Tun Sie das«, Dupin zögerte, »nein, lassen Sie es.«
    Er kam lieber unangekündigt.
    »Gut. Soll ich dafür sorgen, dass Sie ein Boot abholt?«
    »Ein Boot?«
    Dupin hatte natürlich an den Hubschrauber gedacht. Was absurd war, wenn Leussot mit seinem Boot mitten auf dem Meer lag.
    »Gut – es soll in Concarneau warten. Da, wo wir gestern früh abgelegt haben.«
    »Ich soll Ihnen von Riwal ausrichten, dass er mit der Liste fertig ist. Er will Sie noch wegen ein paar Dingen sprechen.«
    »Ich werde versuchen, den Arzt zu erreichen. Bis später.«
    Dupin legte auf. Er nahm einen tollkühnen Schluck Espresso – er schmeckte vollkommen ungenießbar.
    Großartig. Das war alles großartig. Ein toller Morgen. Er brauchte einen richtigen café, so ging das nicht. Mit einer für das Material bedenklich energischen Bewegung drehte er den Zündschlüssel und trat aufs Gas. Die Reifen quietschten. Es war nur ein kleiner Umweg. Es war nicht weit. Und er könnte mit Riwal telefonieren …
    Vier Minuten später stellte Dupin den Motor bereits wieder ab. Nur wenige Schritte vom Café du Port entfernt, das direkt am steinernen Quai von Sainte-Marine lag. Der alte Dorfkern des hübschen Ortes lag in einer sanft geführten Bucht am Ufer des Odets, der hier fast schon Meer war, einen halben Kilometer breit, den Gezeiten unterworfen, ganz nah schon dem offenen Atlantik. Weiden und Kastanien säumten ihn, Kamelien, wilder Jasmin, ein paar buschige Palmen – eine typisch bretonische Szenerie also –, eine alte Kapelle, pittoreske Fischerhäuschen. Der feine Kiesstrand der kleinen Bucht erstreckte sich bei Ebbe fast bis zum Café du Port.
    Dupin hatte die Bar und das Restaurant schon immer gemocht; alles war einfach, schlicht, aus Holz, alles in den atlantischen Grundfarben gehalten: blau, weiß, rot. Es gab hier – neben dem Amiral – den besten café der Gegend. Noch mehr mochte er es, seitdem er sich mit Henri angefreundet hatte, dem stolzen Besitzer des Café du Port. Sie hatten sich beim großen Citroën-Händler in Quimper getroffen, als sie sich beide nach dem neuen C6 erkundigt hatten, den sie schließlich doch nicht gekauft hatten, weil sie beide an ihrem alten XM hingen – obwohl die Wagen höchst betagt waren und es vermutlich nicht mehr lange machen würden. Die Abstände zwischen den Besuchen der Werkstatt waren im Laufe des vergangenen Jahres immer kürzer geworden, inzwischen lagen sie bei vier Wochen, schätzte Dupin, Nolwenn würde sagen: bei zwei. Sie redete seit Längerem auf ihn ein, er müsse sich endlich einen neuen Wagen kaufen. Manchmal lagen wie zufällig Prospekte auf seinem Schreibtisch, natürlich nur für bretonische Wagen: Citroën, in Rennes gebaut. Dupin war in den folgenden Monaten häufiger ins Café du Port gekommen, meistens abends oder wenn er in der Gegend zu tun hatte. Er mochte auch Héloise gern,

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