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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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Henris Frau, die Köchin, die mit ihren buschigen schwarzen Locken neben Henris fast kahlem Schädel lustig aussah. Neben den alten Citroëns verband sie – mehr als alle Sympathien, die sie füreinander hegten –, dass Henri hier ebenfalls »neu« war. Kein Bretone, sondern Pariser wie Dupin, obwohl er seit dreißig Jahren in der Bretagne lebte (was immer noch als »neu« galt).
    Henri stand hinter dem Tresen und war akribisch in eine Liste vertieft, er hatte nicht einmal andeutungsweise den Kopf gehoben.
    »Ich brauche einen café. Doppelt.«
    »Verflixt. – Einen Moment, Georges.«
    Henri hatte herzlich, aber weiterhin ohne aufzuschauen geantwortet.
    »Jeannine, einen doppelten café für den Commissaire!«
    Er hatte in Richtung des jungen robusten Mädchens gerufen, das häufig in der Mittagszeit aushalf, manchmal auch abends.
    »Eben kam die Getränkelieferung. Ich hasse das, diese Listen sind jedes Mal vollkommen unübersichtlich.«
    Es herrschte für einen Moment konzentrierte Stille.
    »Verdammt! Irgendetwas stimmt nicht.«
    Henris Satz hatte in einem Lachen geendet – er war froh, abgelenkt worden zu sein.
    »Ich bin gleich wieder weg, Henri.«
    »Klar«, natürlich wusste Henri Bescheid. Dupin würde nicht viel sagen müssen.
    »Ein Scheißfall.«
    »Glaube ich. Miese Typen. Konan, Lefort«, Henri machte ein ernstes Gesicht.
    »Ja?«
    »Oh ja.«
    »Gut. Dann wären die Bösen schon tot. – Vielleicht suche ich die Guten. Wie auch immer. Ich tappe im Dunkeln.«
    »Lass dich von den Bretonen nicht irremachen«, lachte Henri.
    Dupin war froh, hergekommen zu sein. Die junge Frau hatte den café gebracht. Sie sprachen eigentlich nie über die Arbeit, Henri und er. Worüber Dupin sehr glücklich war. Er trank den café in einem Schluck aus. Er war wunderbar stark und kein bisschen stechend. Aus der Küche strömten köstliche Düfte in das Restaurant. Dupin mochte Héloises Küche, die, natürlich, ganz bretonisch war. Die heilige Konfession lautete: »Wenn du ein echter Bretone bist – dann nimmst du Butter. Morgens, mittags, abends: Butter«. Héloise hielt mit Leidenschaft an der »Olivenöl-Butter-Grenze« fest, mit der es den Bretonen in der Tat ernst war: Die Frage, bis wohin die römische Invasion des Olivenöls als Universalmittel der Küche geglückt war und bis wohin man die keltisch-gallische Linie der Butter hatte verteidigen können, wurde in den beiden großen Regionalzeitungen regelmäßig diskutiert. Beharrlich veröffentlichten sie immer neue Berichte über wissenschaftliche Studien zur eindeutigen medizinischen Überlegenheit der Butter, die vollkommen zu Unrecht in Verruf gebracht worden sei. Dupin war zunächst, wie bei allem, sehr skeptisch gewesen, aber durch die »empirischen Belege« fast selbst zum Rebell geworden.
    »Ich muss los.«
    »Héloise hat eine herrlich knusprige Keule vom bretonischen Salzlamm im Ofen, mit Thymian, Fleur de Sel und Piment d’Espelette. Mit frischen Butterbohnen. Ein winziger Teller?«
    »Ich muss wirklich los.« Dupin seufzte tief.
    »Komm mal wieder abends vorbei!«
    Das hoffte er. Er genoss es jedes Mal, mit Henri zusammenzusitzen. Sie redeten dann über Gott und die Welt; darüber dass sie sich seit einiger Zeit in sehr verrückten Zuständen befinde, die Welt. Auch in Frankreich. Vor einiger Zeit hatten Chinesen, nachdem sie seit Jahren auf dramatische Weise die Preise französischer Weine hochgetrieben hatten (167   000 Euro hatte ein Chinese vor Kurzem für eine Flasche Lafitte bezahlt), schließlich sogar das erste Weingut im Bordelais gekauft: ein Château mitten im Lalande-de-Pomerol, das nach dreißig Monaten Verhandlungen für fünfzehn Millionen an eine chinesische Firma gegangen war, Mingu, die in China den Millionen-Massenmarkt mit einem »Wein« namens Die Große Mauer beherrschte. Und es war klar, dass das nur der Anfang gewesen war, weitere Verhandlungen liefen längst, auch mit Konzernen anderer Länder. Und das in einem Land, in dem Weine wie bestimmte kulinarische Köstlichkeiten und Kreationen großer Chefs de Cuisine selbstverständlich den Rang von Kulturgütern wie große Gemälde oder Musikstücke innehatten. Und worauf, fand Dupin, Frankreich unbedingt sehr stolz sein musste. Das war die endgültige Preisgabe an den Kommerz, der Ausverkauf Frankreichs, es war haarsträubend. Beide, Henri und Dupin, konnten sich darüber beeindruckend echauffieren, und es war ein Ritual, dies gemeinsam zu tun.
    »Ich komme nächste Woche mal

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