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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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mit noch mehr Schwung als zuvor. Es klang fast wie ein Schuss. Dupin fuhr zusammen. Der kleine Schreck half ihm jedoch mehr als tiefes Atmen.
    Er musste sich ablenken.
    Dupin ging zurück zum Fahrstand. Das Boot nahm Geschwindigkeit auf, die Vibrationen gingen erneut durch Mark und Bein und lösten noch im kleinsten Knochen eine Resonanz aus.
    »Was möchten Sie noch wissen? Wir sind gleich auf Saint-Nicolas.«
    Wie zum Beweis fuhr sie den Motor auf sein Maximum hoch, den Lärm und das Vibrieren ebenso.
    »An dem Sonntagabend im Quatre Vents – wissen Sie noch, wann Sie gekommen sind?«
    »Das hat mich Ihr Inspektor auch schon gefragt. Viertel vor neun.«
    »Und ist Ihnen da etwas Ungewöhnliches aufgefallen? Ungefähr um diese Uhrzeit hat man Lefort und Konan vermutlich die Beruhigungsmittel untergemischt.«
    »Ich saß an der Bar. Ich habe sie gar nicht richtig wahrgenommen. Die meiste Zeit habe ich mich mit Solenns älterer Tochter unterhalten. Wir verstehen uns sehr gut. Und mit Solenns Schwiegervater Pascal.«
    Dupin hatte ihn ganz vergessen.
    »Er redet nicht viel.«
    »Nein.«
    »Worüber haben Sie gesprochen?«
    »Über einige seltsame Strömungen in letzter Zeit.«
    »Seltsame Strömungen?«
    »Ja, merkwürdig starke Strömungen direkt am westlichen und südlichen Ausgang aus der Kammer, die einen unmittelbar nach Süden ziehen würden, aufs offene Meer. Jetzt bei Springflut. Bei Koeffizienten von 120 kennen wir solche Strömungen, aber immer Richtung Land. Jetzt reißen sie einen plötzlich aufs offene Meer.«
    »Sie haben also nichts Besonderes bemerkt an diesem Abend?«
    »Nein.«
    »Wer war noch an der Bar?«
    »Oh Gott, da herrscht immer ein Durcheinander. Maela Menez. Sie ist brutal. Aber wunderbar. Ich mag sie. Ich glaube, noch ein paar Tauchschüler. Louann Nuz eben. Armelle Nuz. Ich bin lange geblieben. Bevor das Unwetter losging, sind die meisten gegangen. Ich bin bei solchen Gewittern nicht gern allein«, es war ganz souverän formuliert, »später habe ich die meiste Zeit für mich allein gesessen.«
    »Die beiden Nuz-Töchter sagen aus, sie wären bereits gegen Viertel nach acht gekommen.«
    In ihren Augen blitzte für einen kurzen Moment etwas auf.
    »Das ist wie in einem alten Krimi. Vergiftete Getränke, eine Gruppe komischer Vögel, gestrandet auf einer Insel.«
    Dupin schaute sie durchdringend an.
    »Dann irren sich die beiden eben. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.«
    »Was meinen Sie mit ›Madame Menez ist brutal‹?«
    »Unerbittlich. Eisern. Sie hat die alten Werte der Segelschule vollständig verinnerlicht. Sie zieht dafür unerschrocken in jeden Kampf. Aber mit offenem Visier. Sie arbeitet Tag und Nacht.«
    »In welche Kämpfe?«
    »Die mit Lefort zum Beispiel.«
    Das klang in Dupins Ohren alles etwas unkonkret, er war nicht sicher, ob das Absicht war.
    »Sie zeigt die Gefühle, die Muriel Lefort zurückhält. Muriel hat sich immer im Griff.«
    »Welche Gefühle sind das?«
    »Hass. – Sie kennen das.«
    »Sie meinen, sie hat Lucas Lefort richtiggehend gehasst?«
    »Das war kein Geheimnis.«
    »Wie nahe stehen Sie Muriel Lefort?«
    »Wir kommen gut miteinander aus. Auch, wenn man nicht sagen kann, dass wir befreundet sind. Wir Frauen müssen hier draußen zusammenhalten. Solenn, Muriel und ich. Muriel steht für eine große Sache. Sie meint es ernst.«
    »Und Muriel hat ihren Bruder auch gehasst? «
    »Zutiefst. Sie wollte ihn immer auszahlen – und er wollte sie auszahlen. Beide haben gedacht: Irgendwann wird der andere nachgeben. Gelitten hat nur Muriel. Er hatte seinen Spaß. Und hat alles mit Füßen getreten, was ihr heilig war.«
    »Wissen Sie von einem Mann in ihrem Leben?«
    Dupin wusste selbst nicht, wie er jetzt auf das Thema kam.
    »Nein. Die Frauen hier leben ohne Männer. Ohne feste Männer. – Wir sind übrigens gleich da.«
    Er blickte nach vorn. In der Tat war der Quai nicht mehr weit entfernt.
    »Ich wollte …«
    Dupin hörte im lauten Motorengeräusch wie von fern sein Handy. Er traute sich, seine Verkeilung in der Tür zu lösen. Es war Riwal.
    »Chef, sie haben Le Menns Wagen gefunden.«
    »Wo?«
    »Auf dem großen Parkplatz in Sainte-Marine, beim Hafen, gar nicht weit von seinem Haus. Sein Boot fehlt. Er besitzt eine Merry Fisher von Jeanneau, neun Meter fünfundzwanzig, ein beliebtes Boot hier an der Küste.«
    Auch Inspektor Riwal war – natürlich – Spezialist für Boote. Neben seiner »druidischen« Ader besaß er zugleich ein praktisches und sehr

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