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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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weg war, eine andere gefunden, und kurz zuvor waren meine Eltern gestorben. So wie das immer ist: Alles passiert auf einmal. Das Leben ist ein Wirrwarr, verworrener als ein Wollknäuel.«
    Dupin mochte das Bild mit dem Wollknäuel. Und es war sehr wahr, fand er.
    »Das ist meine Geschichte in einer Minute.«
    Das war ohne Gram formuliert, ohne Koketterie.
    »Und dann wurden Sie eine Weltklasse-Freediverin?«
    »Glauben Sie mir. Streng genommen ist das nur eine andere Form von Yoga.«
    Sie drosselte den Motor. Sie waren an ihrer nächsten Station angekommen. Wieder wartete eine kleine Gruppe am Strand, dieses Mal waren es nur drei Taucher.
    »Nur noch diese und dann nach Penfret. Haben Sie mal Yoga gemacht?«
    Dupin hatte nichts gegen Yoga, gar nichts, aber er war sich sicher, dass er auf der ganzen weiten Welt der denkbar ungeeignetste Mensch war, wenn es um so etwas ging. Yoga, Meditation, autogenes Training, sämtliche Entspannungstechniken. Er wurde nervös, wenn er die Worte nur hörte. Untalentierter in Sachen bewusster Entspannung konnte niemand sein. Er überhörte die Frage bewusst.
    »Madame Lefort hatte Solenn Nuz also ein sehr hohes Angebot für die Tauchschule gemacht?«
    Muriel Lefort war geschäftstüchtiger, als er gedacht hatte.
    »Ja. Sie meinte es wirklich ernst. – Übrigens, da Sie sich ja so für gesunkene Schiffe interessieren: Allein auf dieser Seite von Cigogne liegen vier, alles Piratenschiffe. Im Wrack der Double Revanche hat man in den Dreißigern immense Schätze gefunden, tief im Sand vergraben zwischen Dutzenden Hummern. Die Hummer lieben die Wracks der alten Holzschiffe. Wussten Sie, dass die Glénan ein Maskottchen haben? Einen Hummer, Charlie, mindestens achtzig Jahre alt. Er lebt in einem Wrack nicht weit vom Quai auf Saint-Nicolas, alle kennen ihn. Dort, wo er am liebsten sitzt, hat der Klub unter Wasser Hinweisschilder angebracht. Jeder Tauchneuling muss ihm einmal die Ehre erweisen.«
    Sie lachte.
    »Charlie. Es gibt einige Videos im Netz«, in eher wissenschaftlichem Tonfall ergänzte sie: »Hummer sind vollkommen sesshaft. Neulich wurde ein hundertvierzig Jahre alter Hummer im letzten Moment vor dem Kochtopf bewahrt – fast einen Meter lang.«
    Mit einem prononcierten Schwung drehte Anjela Barrault das Steuerrad einmal ganz herum und legte den Leerlauf ein. Erwartungsvoll schaute sie Dupin an, der einen Moment brauchte, bis er verstand. Er war im Weg. Sie wollte zum Heck des Bootes.
    »Die gleiche Prozedur wie eben.«
    Dupin trat beiseite und steuerte erneut auf den Bug zu. Er war noch mit der Vorstellung des ein Meter großen und hundertvierzig Jahre alten Hummers beschäftigt: Der war also um 1870 geboren worden, Charlie immerhin in den 1930ern, und war älter als seine Mutter. Dupin war bemüht, das alles abstrakt zu halten. Er mochte den Geschmack von Hummer zu sehr.
    Wieder war das Handy tief in die Hosentasche gerutscht. Er wählte Goulchs Nummer. Sofort war der junge Polizist am Apparat.
    »Monsieur le Commissaire?«
    »Wo sind Sie?«
    »Noch in den Docks, bei der Untersuchung der Bénéteau. Aber wir sind gleich fertig. Wir haben auch Kartenmaterial sichern können. Konventionelle Seekarten, laminiertes Papier. Wir werden sie uns genau ansehen. Bisher haben wir keine Markierungen entdecken können.«
    »Ich brauche Sie. Fahren Sie zu Monsieur Leussots Boot. Wahrscheinlich ist er noch irgendwo bei den Moutons, oder schon auf Saint-Nicolas. Schauen Sie sich sein Schiff an, prüfen Sie, was er an Technik und Technologien besitzt, die für Schatzsuchen geeignet wären. Und ob Sie etwas sehen, das konkret darauf hindeutet, dass er sich aktiv – wie würde man sagen – auf einer Suche befindet?«
    »Eine richtige Durchsuchung, verstehe ich Sie richtig?«
    »Wenn es sein muss.«
    Obwohl diese Vorgehensweise – so Dupins Gefühl – wie alle anderen Aktionen heute etwas Stocherndes an sich hatte – er wollte jetzt Bescheid wissen. Und: Auch das Stochern konnte eine sehr wirkungsvolle Methode sein. Wenn er nicht in die völlig falsche Richtung stocherte.
    »Und danach schauen Sie sich die Boote von Kilian Tanguy, Muriel Lefort und Du Marhallac’h an. Und das des verschwundenen Arztes, Devan Le Menn. Habe ich jemanden vergessen?«
    »Den Direktor des Instituts? Anjela Barrault?«
    »Anjela Barrault?«
    »Die Leiterin des …«
    »Ich weiß, wer das ist.«
    »Sie hat auch ein eigenes Boot. Sie benutzt es häufig für die Tauchschule.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Alle, die

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