Bretonische Brandung
ausgeprägtes technisches Interesse.
»Er ist also mit seinem Boot unterwegs?«
»Sieht so aus. Dann brechen wir die Großfahndung ab?«
»Nein. Wir haben Le Menn noch nicht.«
»Aber er ist auf See.«
»Warten wir es ab, Riwal. Es könnte auch anders sein. Vielleicht will er uns täuschen. Vielleicht ist er an anderer Stelle wieder an Land gegangen. In Fouesnant oder Concarneau. Oder er ist den Odet hochgefahren und hat sein Boot dort zurückgelassen. Wäre er auf der Flucht, wäre das nicht unplausibel.«
»Sie haben recht«, man hörte geradezu, wie Riwal nachdachte, »verdächtigen Sie Le Menn denn so konkret?«
»Ich verdächtige im Moment jeden. Besonders, wenn jemand zum Zeitpunkt der Tat am Tatort war und am nächsten Morgen verschwindet.«
»Oder er ist ein weiteres Opfer.«
Dupin antwortete erst mit einiger Verzögerung.
»Oder er ist ein weiteres Opfer.«
»Ich verständige die Küstenwache.«
»Tun Sie das. Und – Riwal?«
»Ja?«
»Eine Sache hatte ich eben noch vergessen: Bringen Sie in Erfahrung, wann unser Biologe Leussot wieder an Land gehen wird. Ob er nach Saint-Nicolas kommt. Ich würde gern von ihm persönlich wissen, was es mit der Prügelei zwischen ihm und Lefort auf sich hatte und warum er davon nichts erzählt hat.«
»Mach ich.«
Dupin legte auf und nahm jetzt erst wahr, dass die Bakounine bereits am Quai angelegt hatte. Dreißig Meter von Riwal entfernt. Anjela Barrault stand an der Reling und blickte in seine Richtung. Hatte er vorhin noch einfach so auf das Boot spingen können, so würde er nun schon einige Sprossen der rostigen Eisenleiter hinaufklettern müssen.
»Ich danke Ihnen für Ihre Hilfe, Madame Barrault. Das waren wichtige Informationen.«
»Das können nur Sie beurteilen.«
Das Lächeln, das bei diesem Satz auf ihr Gesicht trat, war noch berückender als zuvor. Sie war sich ihrer Wirkung durchaus bewusst.
»Viel Spaß beim Tauchen, tief unter Wasser.«
»So tief werde ich heute nicht gehen.«
»Wir sprechen uns sicher bald wieder.«
Das klang konkreter, als Dupin es beabsichtigt hatte.
»Sehr gern.«
Dupin überlegte, ob er Madame Barrault die Hand geben sollte, kletterte dann aber einfach die Leiter hinauf.
Schon von Weitem sah Dupin, dass Kadeg neben Riwal am »Einsatztisch« saß. Dupin steuerte geradewegs auf die Bar zu und ließ die beiden Inspektoren buchstäblich links liegen. Was zu verdutzten Blicken führte. Er brauchte überaus dringend einen café. Und ein großes Glas Wasser. Nach dem Verlassen der Bakounine hatte mit einem Schlag das heftige Gefühl eingesetzt, dass die Welt, obwohl er jetzt festen Boden unter den Füßen hatte, noch schlimmer schwankte als auf dem Boot. Der Schwindel war noch heftiger gewesen als bei dem Anfall zuvor. Die ältere der beiden Nuz-Töchter bediente ihn sehr freundlich und begann ein Gespräch, aber Dupin war schlicht nicht in der Verfassung, darauf einzugehen. Er war angestrengt mit dem Wiedererlangen eines festen Standes beschäftigt. Er bestellte zwei cafés, trank einen direkt im Stehen und bewegte sich mit dem zweiten und dem Glas Wasser sehr, sehr langsam und vorsichtig durch die Bar und nahm Kurs auf die beiden Inspektoren draußen.
Kadeg schien den Eingang zur Bar fixiert zu haben. Sobald Dupin aus der Tür trat, schnellte er hoch und kam auf ihn zugeschossen.
»Der Hubschrauber hat mich eben abgesetzt. Wir sind bei den Durchsuchungen auf eine Reihe brisanter Informationen gestoßen – entscheidend waren die Festplatten«, Kadeg war zu schnell und zu emsig, als dass Dupin ihn hätte unterbrechen können, »ich hatte versucht, Sie zu erreichen, aber es war immer besetzt. Ich wollte direkt mit Ihnen sprechen. Es gibt noch weitere Firmen, die Pajot gehörten und in die teilweise auch Konan involviert war. Als Investor. Eine ist ein Konsortium der beiden – und raten Sie, wer noch an ihr beteiligt war und welchem Zweck diese dient!«
So war Kadeg, wenn er etwas aufgespürt hatte. Dupin war eigentlich nicht in der Laune für diesen Übereifer. Er setzte sich. Natürlich war es ohnehin nur eine rhetorische Rateaufgabe gewesen, nach einer kleinen dramaturgischen Pause kam Kadeg sofort zur Sache.
»Sie haben ein Konsortium zum touristischen Ausbau der Glénan gegründet, das wiederum an Leforts Unternehmen beteiligt ist.«
Das war wirklich eine interessante Nachricht. Dupin trank den zweiten café. In kleinen, wenn auch schnellen Schlucken, um sich nicht noch mal den Mund zu verbrennen. Er wusste
Weitere Kostenlose Bücher