Bretonische Brandung
nicht, ob er ihm in diesem sehr unerquicklichen Zustand wirklich zuträglich wäre, Seekrankheiten hatten ja auch mit dem Magen zu tun – aber grundsätzlich traute Georges Dupin Koffein alles zu. Medzinische Wunder sowieso.
»Wie heißt das Unternehmen?«
»Les Glénan vertes, die grünen Glénan. Das war das neue Projekt von Lefort. Und es kommt noch besser.«
Wieder eine dramaturgische Pause.
»Es war reichlich kompliziert herauszufinden. Sie haben sich alle erdenkliche Mühe gegeben, es zu vertuschen. Mit mehreren Konten und Unterkonten. Das musste sich ein Experte aus Rennes ansehen. Ich bin es dann minutiös mit ihm durchgegangen. Er konnte natürlich nicht den versteckten Sinn erkennen.«
»Was, Kadeg?«
»Von einem der Konten Pajots gingen zwei Mal Überweisungen an Du Marhallac’h, jeweils über dreißigtausend Euro, vor einem Dreivierteljahr und vor einem halben Jahr.«
Dupin war augenblicklich ganz da, der Schwindel vollkommen verflogen. Er sagte kein Wort. Weil seine Gedanken rasten – und weil er keine Lust hatte, sich von Kadeg beeindruckt zu zeigen. »Die Überweisungen waren mit ›Architektenleistungen‹ bezeichnet, wir haben bisher aber nichts über irgendwelche erbrachten Leistungen in irgendwelchen Unterlagen oder auf den Computern gefunden.«
»Architektenleistungen?«
Riwal schaltete sich ein:
»Du Marhallac’h ist eigentlich Architekt. Er hat seit zweiundzwanzig Jahren ein eigenes Büro. Seit er Bürgermeister ist, arbeitet er allerdings nur noch selten als Architekt. Aber davor muss er durchaus erfolgreich gewesen sein, er bekam Aufträge an der gesamten Küste.«
Riwals Bruder war Architekt, genau wie Dupins Schwester. Er kannte sich aus.
»Gut.«
Dupin lehnte sich zurück. Er wusste selbst nicht, was er mit »gut« meinte. Kadegs und Riwals Gesichtern war anzusehen: sie auch nicht. Es wurde immer kurioser. Er kannte das natürlich. Es gab zuweilen mehrere substanzielle Spuren in einem Fall, aber normalerweise erkaltete ein Teil im Laufe der Ermittlungen, plötzlich oder allmählich. Hier war das Gegenteil der Fall – es kamen immer mehr hinzu.
»Kadeg, was ist mit dem Direktor – und dem Institut? Den Geschäften zwischen dem Institut und Medimare? «
Eigentlich war es Dupin bei den Durchsuchungen ja darum gegangen.
»Daran sitzen die Experten noch. Bisher sieht alles nach regulären Vorgängen aus. Zumindest auf dem Papier. Wir haben auch bis dato keine auffälligen Kontobewegungen oder Ähnliches gefunden.«
»Und die Geschäfte, bei denen Leussots Forschungen eine Rolle spielten?«
»Auch hier bisher nichts Ungewöhnliches. Wir haben zum jetzigen Zeitpunkt vier solcher Fälle identifiziert. Je nachdem, was da unsauber gelaufen ist, wird es schwer bis unmöglich sein, etwas Justiziables nachzuweisen.«
Kadeg genoss es allzu offensichtlich, zu erläutern, wie Dupins Spur bisher ins Leere gelaufen war.
»Kadeg. Sie brechen sofort auf. Ich will, dass sie zu Du Marhallac’h fahren und ihm noch einmal auf den Zahn fühlen. Aber richtig.«
»Aber ich bin gerade erst angekommen und wollte mit Riwal …«
»Nehmen Sie ihn auseinander, Kadeg.«
Dem freudigen Flackern in Kadegs Augen war zu entnehmen, dass Dupin nun die richtige Wortwahl getroffen hatte.
»In Ordnung.«
»Das ist Korruption. Und ich will handfeste Beweise dafür. Die ganze Geschichte. Die haben ihn gekauft. Von wegen, er wollte einfach unvoreingenommen prüfen. «
Wieder würde Dupin mit seinen Vourteilen im Hinblick auf Politiker recht behalten – jämmerlich, es war traurig.
»Mich würde auch interessieren, wie weit die Pläne für den Ausbau der Inseln nun tatsächlich waren. In welchem Stadium? Sie müssen auf Leforts Notebook sein, Kadeg.«
»Wir haben sie dort bereits gefunden, sie uns aber noch nicht ansehen können.«
»›Architektenleistungen‹. – Wir kriegen ihn dran!«
Sosehr er es versuchte, es gelang Dupin nicht, den Moment wirklich auszukosten. Bisher war die Durchsuchung nämlich alles andere als ein Triumph. Was er gewollt hatte, war etwas gegen den Direktor des Instituts in die Hand zu bekommen. Vor allem: Er wollte den Mordfall aufklären. Zudem hatte er verantwortet, auf den vagen Hinweis eines mysteriösen Anrufers hin die Ultima Ratio der Ermittlungsinstrumente anzuwenden.
Kadeg sprang voller Energie auf.
»Der Hubschrauber ist noch hier. Ich beeile mich.«
»Seien Sie grob, Kadeg.«
Kadeg drehte sich bei diesen Worten mit einem siegessicheren Blick zu Dupin um, in
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