Bretonische Verhältnisse
an, wenn es Neuigkeiten gibt.«
Auch der heutige Tag war ein prächtiger Sommertag geworden, der Himmel klar und weit, von Wolken und Eintrübungen, die schon für die Nacht angekündigt worden waren, keine Spur. Dupin war sich ganz sicher, alle Zeichen für ein Hoch ausmachen zu können, das zumindest ein paar Tage stabil bliebe.
Kadeg hatte die Adresse von Monsieur Beauvois sofort parat gehabt. Auch er wohnte mitten im Ort, den Aven ein Stück hinauf, wo es immer feucht war, in einem der engen Sträßchen. Rue Job Philippe. Es war – wie eben fast alle Häuser dieses Bilderbuchortes – ein wirklich hübsches altes Steinhaus, wie in einem Reiseführer, gewaltige Hortensienbüsche im schmalen Vorgarten. Hortensien in verschiedensten Farben: Pink, Violett, Hellblau, Dunkelblau, Rot.
Dupin hatte das Gartentor geöffnet und wollte gerade klingeln, als die Tür energisch geöffnet wurde und ein kleiner, recht rundlicher Mann vor ihm stand und ihn skeptisch anblinzelte. Nicht mehr sehr viele Haare, dafür aber ganz kurz geschnitten. Eine kleine ovale Brille. Ein ovaler Kopf.
»Commissaire Georges Dupin. Bonjour.«
»Ah – Monsieur le Commissaire. Frédéric Beauvois. Es freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen«, er zögerte etwas, »natürlich sind es schreckliche Umstände.«
»Komme ich ungelegen?«
»Nein, nein. Sie kommen gar nicht ungelegen. Ich wollte nur gerade etwas essen gehen«, er schien sich irgendwie ertappt zu fühlen, »ich lebe alleine. Ein alter Junggeselle. – Ich wäre froh, wenn ich helfen könnte. Was immer ich tun kann. Pierre-Louis Pennec, das muss man so sagen, gehörte zu den bedeutendsten Bürgern der Stadt, und sein Verlust ist in höchstem Maße tragisch für Pont Aven. Das ist das einzige Wort, das angemessen ist. Tragisch. Er hat sich auf vielfältigste und großzügigste Weise verdient gemacht um unseren Ort. Und ich darf sagen: Ich war ein Freund. Drei Jahrzehnte haben wir uns gekannt und zusammengearbeitet. Er war ein echter, ein großer Mäzen. Aber kommen Sie doch herein!«
»Danke.«
Im Haus war es ziemlich dunkel, wie in den meisten dieser alten Steinhäuser. Das konnte unter Umständen sehr gemütlich sein – am Kamin, bei einem tosenden, peitschenden Sturm draußen –, aber auch deprimierend, fand Dupin. Vor allem an einem solch strahlenden Tag.
Dupin druckste etwas herum.
»Wissen Sie, ich habe auch Hunger. Wollen wir nicht zusammen etwas essen gehen. Was meinen Sie?«
Das war eine ganz spontane Idee gewesen. Und Dupin hatte wirklich großen Hunger, merkte er jetzt. Und keine Lust, bei diesem Wetter und diesem Licht in halber Dunkelheit zu sitzen. Monsieur Beauvois schaute den Kommissar ein wenig überrascht an, aber nur einen Augenblick.
»Das wäre mir eine große Freude. Gehen wir doch zu Maurice, in der Mühle. Ein alter Freund von mir. Und das beste Restaurant Pont Avens. Vom Central natürlich abgesehen.«
Beauvois lächelte sehr freundlich.
»Sehr gerne, Monsieur Beauvois.«
Dupin musste sich in seinem Tempo mäßigen, mit dem er sich umdrehte und Richtung Tür eilte, um schnellstmöglich aus dem Haus zu kommen.
Sie gingen zielstrebig durch die kleinen Gässchen den Weg am Hotel vorbei zur alten Mühle, der Moulin de Rosmadec , die seit zwanzig Jahren ein weit über Pont Aven hinaus bekanntes Restaurant war. Beauvois, der pensionierte Lehrer, ließ es sich nicht nehmen, Dupin, dem der Magen knurrte, eine kleine Führung durch den Ort und seine Geschichte zu geben (mit großem Stolz und zahlreichen Superlativen). Dupin sagte kaum ein Wort.
Endlich saßen sie unter einer großen, prächtigen Linde, neben dem alten Mühlrad. Das Wasser rauschte über die Steine, es war wie in einem Märchen. Dupin hatte nichts von den vielen Mühlen in Pont Aven gewusst. Schon lange vor den Künstlern war der Ort für seine Mühlen berühmt gewesen, eine große Anzahl Müller hatte sich hier über die Jahrhunderte niedergelassen und die ganze Region mit Mehl versorgt. Das Mehl war bis nach Nantes und sogar nach Bordeaux geliefert worden, als der Hafen noch ein echter Seeverkehrshafen gewesen war, wie Beauvois mit Pathos ausführte.
Maurice Kerriou, der übereifrige Besitzer des Restaurants, und Beauvois einigten sich nach ausführlicheren kulinarischen Erörterungen – Dupin war nur am Rande einbezogen – auf ein kleines plâteau de fruits de mer , dann filets de rougets .
»Die fruits de mer müssen Sie essen – die palourdes grises ! Die besten Muscheln der
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