Bretonische Verhältnisse
ganzen Bretagne. Die kriegen Sie so nicht bei Ihnen in Paris. Eine große Spezialität.«
Dupin liebte die palourdes grises in der Tat – und er hätte gerne gesagt, dass er sie im Lutétia , seiner liebsten Brasserie in Paris, schon viele Male und immer sehr frisch gegessen hatte und noch lieber mochte als die palourdes roses, weil sie wie ein Destillat des ganzen Atlantiks schmeckten. Seit er in der Bretagne lebte, aß er sie die ganze Saison über. Aber er sagte nichts. Er hätte nur ein mitleidiges Lächeln kassiert: Ihr armen Pariser, die ihr mit einem tagelang unterwegs gewesenen Ausschuss sowieso schlechter Muscheln aus Übersee für sehr teures Geld abgespeist werdet. Er kannte das.
»Das ist sehr freundlich, ja.«
»Sie werden sehen, das wird eine Entdeckung sein. Alles ist exzellent hier.«
»Monsieur Beauvois, Sie haben Pierre-Louis Pennec diese Woche noch gesehen, am Dienstag.«
»Mein Gott, ja. Ich kann es nicht fassen. Am Dienstag. Er war ganz lebendig. Wir sprachen vornehmlich über die neue Broschüre.«
»Die über die Künstlerkolonie von Pont Aven und die Hotels?«
»Genau, ja. Wir hatten schon länger über eine Erweiterung gesprochen. Bei der ersten Fassung haben wir alles sehr knapp gehalten, sie ist zwanzig Jahre alt. Gerade über das Leben der Künstler in Pont Aven weiß man nun so viel mehr. Wissen Sie – es war ein Skandal, man hatte sie alle vergessen, bis auf Gauguin und vielleicht Émile Bernard. Erst vor zwei Jahrzehnten hat man die anderen Maler wiederentdeckt. Es waren so erstaunliche Talente darunter, so große Künstler. Wir haben hier in Pont Aven eine Menge Recherchen angestellt. Wer wo genau gewohnt hat, wer mit wem wo gemalt hat, wer wo gegessen hat …«
Beauvois lächelte verschmitzt und wissend.
»Und wer welche Affäre hatte, mit welcher Unschuld vom Lande. Das war ein buntes Treiben. Oh, da gibt es viele Geschichten.«
Er unterbrach sich, als müsste er sich zur Disziplin ermahnen.
»Also, ich habe Pierre-Louis die Texte mitgebracht, die neuen. Er wollte auch noch einmal nach Fotos schauen. Wissen Sie, er hat eine kleine, aber doch erstaunliche Fotosammlung. Von seiner Großmutter, von Marie-Jeanne. Ein paar hat sie sogar selbst gemacht.«
»Im Hotel? Fotos aus der Künstlerzeit?«
»Ja. Vielleicht hundert Fotografien. Ein paar ganz außergewöhnliche darunter. Darauf sieht man sie alle, die Großen!«
Dupin hatte sein Clairefontaine-Heft herausgeholt. Er notierte etwas.
»Wo bewahrte er sie auf?«
»Bei sich oben, in dem kleinen Raum neben seinem Zimmer. Wo auch ein paar Kopien stehen, die er unten im Restaurant nicht mehr aufhängen konnte nach der Renovierung. Da hat er sie mir einmal gezeigt.«
»Könnte ich die Texte sehen?«
Beauvois war irritiert.
»Meine Texte für die Broschüre?«
»Ja.«
»Sehr gerne. Ich werde sie Ihnen zukommen lassen.«
»Hatte es Pennec eilig?«
»Mit der Broschüre?«
»Mit der Broschüre.«
»Er hatte es immer eilig, wenn er etwas wollte.«
»Sie haben bei vielen Dingen zusammengearbeitet, nicht nur bei dieser Broschüre – wenn ich richtig informiert bin.«
Beauvois setzte sich ein Stück zurück und atmete tief ein, er schien froh über Dupins Frage.
»Sie sollten vielleicht doch mehr über meine Arbeit wissen, Monsieur le Commissaire. Sonst vermögen Sie manches nicht recht einzuschätzen. Wenn Sie erlauben, führe ich etwas aus, ganz kompakt selbstverständlich.«
»Ich bitte Sie.«
»Ohne eitel wirken zu wollen – es ist uns hier mit dem Museum unter meiner Führung doch Stupendes gelungen. 1985 habe ich die Leitung übernommen. Ich habe eine ständige Ausstellung gegründet – geordnet und endlich adäquat gezeigt, was wir haben, und zudem nach und nach nicht unbedeutende Ankäufe getätigt, über tausend Bilder haben wir heute, tausend! Auch wenn wir natürlich nicht alle aufhängen können. 2002 hat uns das Ministère de la Culture offiziell als Musée de France klassifiziert, das war die überfällige Anerkennung meiner Arbeit. Und von Beginn an hatte ich die Unterstützung von Pierre-Louis. Er war Mitglied in allen Vereinen, die ich gegründet habe, schon im ersten, der Association des Amis du Musée de Pont Aven , da war er einige Zeit zweiter Präsident.«
Maurice Kerriou erschien mit den Meeresfrüchten, einer Flasche kaltem Sancerre und einer großen Flasche Badoit. Dupin fand es ein wenig zu aufwendig. Alles wurde attraktiv auf dem Tisch arrangiert. Es dauerte.
»Sie waren bei den Vereinen
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