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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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neun drückte ich neben dem Schild
Daniel Düsentrieb – Agentur für Marketing und Kommunikation
auf die Klingel. Es summte, ich schob die schwere Haustür auf und ging ins Souterrain. Dort wurde ich von einer schlanken Frau in Cargo-Jeans, schlichtem weißem T-Shirt und Chucks erwartet. Um ihre dunklen Rastahaare war ein grobes rotes Tuch gewickelt. Sie gab mir die Hand.
    »Hi. Ich bin die Patsy. Komm rein.«
    Von innen boten die Räume wenig Überraschendes. Auf den aneinandergequetschten Tischen ließen Macs, Papierstapel, Lineale, Fotos und Zeitschriften kaum eine Ecke frei. Patsy führte mich durch mehrere hintereinandergeschachtelte Büros ohne Türen.
    Wehmütig dachte ich an meine alte Agentur in einem Jugendstilhaus in der Rotebühlstraße. Die war zwar nicht ordentlicher, des Altbaus wegens aber viel großzügiger und heller gewesen.
    Der letzte Raum hatte eine Tür und war bis auf ein paar Plastikstühle in quietschbunten Farben, die zu einem Stuhlkreis formiert waren, leer. An den Wänden hingen Farbkopien und Flipchart-Bögen, die mit wilden Pfeilen, Zeichnungen und Stichworten vollgekritzelt waren.
    »Setz dich doch«, sagte Patsy. »Das ist unser Besprechungszimmer. Auch wenn’s aussieht wie im Kindergarten. Marc und Daniel sind der Meinung, dass Kreativität ohne Tische besser fließt. Manchmal stellen sie die Stühle hintereinander auf. Oder Rücken an Rücken. Willst du was trinken? Kaffee, Cola, Red Bull, Flying Horse, Guarana, Kombucha?«
    »Kaffee, gern«, sagte ich.
    Großartig. Wegen der fehlenden Tische würden Marc und Daniel während des ganzen Gesprächs ungehindert die Aussicht auf meine grünen und blauen Knie genießen können.
    Patsy verschwand. Kurz darauf näherten sich dynamische Schritte. Die zweite Person schlurfte. »Hallo. Ich bin Marc. Sozusagen der
Düsentrieb
. Das ist der Daniel. Sozusagen der
Daniel
. Uns beiden gehört der Laden. Patsy hast du ja schon kennengelernt. Art Directorin und fürs Kaffeekochen zuständig. Wir sind zu dritt. Und brauchen dringend Verstärkung. Frau wär gut. Gendermäßig und so. Das ist ein Thema.«
    Marc trug eine Schiebermütze, unter der sich vermutlich eine Glatze befand. Auf seinem Kugelbauch spannte sich eine Kombination aus langärmeligem und kurzärmeligem T-Shirt in Pastellfarben. Daniel hatte ich ja durchs Fenster schon mal gesehen. Er war lang und dünn und trug eine riesige viereckige Brille mit schwarzem Rand. Er sah ein bisschen aus wie Bill Gates in seiner Garagenzeit. Er lächelte mich aus seinem Lausbubengesicht an. Ob er sich wohl an mich erinnerte? Ich war aufgesprungen und öffnete den Mund, um mich ebenfalls vorzustellen, aber Marc redete einfach weiter. Ich setzte mich wieder. Weil Marc und Daniel aber stehen blieben, sprang ich wieder auf.
    »
Daniel Düsentrieb
ist eine Full-Service-Werbeagentur vor allem für kleine und mittlere Werbebudgets. Wir denken integriert und ganzheitlich. Das heißt auch, dass bei uns die Trennung Text-Bild aufgehoben ist. Patsy ist zwar Art Directorin, macht aber auch alles andere. Grafik, Text, Satz, Foto, Litho, Druck, das ist bei uns alles eins. Wir haben keinen Job, sondern eine Aufgabe: zielgerichtete, crossmediale und passgenaue Verbraucheransprache.«
    Das klang nach Mädchen für alles und sehr, sehr vielen Überstunden.
    »Das ist … toll«, heuchelte ich. »Genau das, was ich suche. Crossmedial. Passgenau.«
    Marc beachtete mich nicht. »Patsy!«, brüllte er.
    Patsy kam mit einem Tablett mit den Kaffeeutensilien herein. Sie stellte das Tablett auf den Boden, setzte sich, goss sich eine Tasse ein und guckte desinteressiert in die Luft.
    Marc lief auf und ab und gestikulierte erregt. »Also, wir brauchen jemanden, der total kreativ ist. Jemand, der sich traut, die Dinge gegen den Strich zu bürsten, sodass das scheinbar Alltägliche wieder fremd und frisch wird. Nehmen wir zum Beispiel … Zahnpasta. Hat jeder, benutzt jeder, und nichts ist so langweilig wie Werbung für Zahnpasta. Früher hat man in Äpfel gebissen und ein bisschen Blut ist geflossen. Gähn! Also, was machst du damit? Los, sei spontan! Überrasch mich! Überzeug mich! Weck meine Emotionen!«
    Ach du meine Güte! Auf Knopfdruck Supidupi-Ideen zu produzieren war nicht gerade meine Stärke. Mir fiel nur ein, wie ich noch vor einer Stunde Zähne putzend und pinkelnd unter der Dusche gestanden hatte. Sehr unpassend. Dann hatte ich einen Flash. Lena. Ein kleines Mädchen mit einer sehr großen Zahnlücke …
    »Wie

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