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Brezeltango

Brezeltango

Titel: Brezeltango Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Kabatek
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nicht mit, dass ihr die Kerle alle zu Füßen liegen. Und was wird jetzt aus den Kindern?«
    »I ben au gschieda«, sagte Harald. »Fir d’ Kender war’s scho schlemm. Aber jetz hen se sich dra gwehnt. On ’s isch emmr no bessr als die ewig Streiterei.«
    »Und war bei dir eine andere Frau im Spiel?«, fragte ich.
    »Am Afang scho. Aber des hot net lang ghoba. Mir isch so hald klarworda, dass mei Ehe am Ende isch. Mir hen ons oifach ausanandrgläbt ghett.«
    »Sag mal, hast du morgen nicht dein Vorstellungsgespräch?«, fragte Lila unvermittelt.
    »Heute, genauer gesagt«, seufzte ich. Es war schon nach Mitternacht. »Punkt neun Uhr. Ich werde ausgeschlafen, faltenfrei und konzentriert sein.«
    »Natürlich wirst du das«, sagte Lila streng. »Das ist nur eine Frage der inneren Polung. Wozu hab ich dir die Drei-Perlen-Übung beigebracht? Und jetzt marsch ins Bett!«
    Rote Perle. Ich bin gaaanz ruhig. Ich bin gaaanz schwer. Blaue Perle. Ich bin voller Selbstvertrauen. Grüne Perle. Aaaaaah. Ja, ja, ja! Grü-ne Per-le. Sanft gleite ich hinüber ins Reich der Träume. Rote Perle. Rote Perle. Was war nochmal rote Perle?
    Iiii komm!!!
    Jungejunge. Waren Leon und ich auch so laut? Oder waren die Wände so dünn? Auf jeden Fall klappte das so nicht mit Lilas Mantras für die innere Polung. Ohrstöpsel zu benutzen wagte ich nicht, aus Angst, am nächsten Morgen den Wecker zu überhören. Rote Perle. Ich bin gaaaaaaaaaanz ruhig. Was war das nur für ein Abend gewesen! Lila hatte einen schwäbischen Zahnarzt-Lover, Dorle heiratete ihren Lover nicht, weil sie auf die CMT wartete, Leon wärmte seine Ex-Loverin beim Mountainbiken auf und meine spießige Schwester Katharina hatte sich einen außerehelichen Lover zugelegt ...
    Waren denn alle völlig verrückt geworden? Es gab dafür nur eine mögliche Erklärung. Auf dem ganzen Planeten gab es nur noch einen einzigen vernünftigen Menschen: mich.

10. Kapitel
    You and me, we’ll go motorbike ridin’
    In the sun and the wind and the rain
.
    I got money in my pocket
,
    Got a tiger in the tank
    And I’m king of the road again
.
    Yvette und Leon saßen eng umschlungen auf einer Bank auf dem Deich vor dem Leuchtturm aus der Jeverreklame. Um sie herum sprangen puschelige Lämmchen, die leise vor sich hin blökten. Leon griff sich eines der Wollknäuel und platzierte es vorsichtig auf Yvettes Schoß. Sie streichelte das Lamm und beide blickten sich schweigend und sehr verliebt an. Plötzlich wurde die Idylle von Lila gestört. Fuchtelnd stand sie vor der Bank und schrie: »Du musst sofort aufstehen, sonst verpennst du dein Vorstellungsgespräch!«
    Ich fuhr hoch. Leon, Yvette und die Lämmchen waren verschwunden. Lila dagegen war echt. Sie stand völlig zerzaust im Bademantel vor meinem Bett und sah aus wie ein Racheengel. »Wir haben alle verschlafen!«, brüllte sie. »Es ist zehn nach acht! Ab ins Bad mit dir! Ich mache Kaffee!« Sie drehte sich um und spurtete nach unten.
    Ich taumelte aus dem Bett. Zehn nach acht, o my God! Ich rannte die Treppe hinunter, stolperte auf der letzten Stufe und krachte mit dem rechten Knie auf das Parkett. Prima! Für Wehleidigkeiten war jetzt aber keine Zeit. Lila hatte die Dusche schon angestellt. Ich packte die Zahnbürste, sprang in die Badewanne und schaffte das Kunststück, gleichzeitig zu duschen, zu pinkeln und mir die Zähne zu putzen. Raus aus der Badewanne, Handtuch schnappen, den Blick in den Spiegel vermeiden (Ringe unter den Augen, zwanzig neue Falten seit dem Vortag, Nase schält sich vom Sonnenbrand), die Treppe wieder hoch, dann stand ich tropfend und keuchend wieder in meinem Zimmer.
    O nein! Ich hatte den Zaubertrick geübt. Ich hatte mir die Agentur angesehen. Ich hatte vergessen, meine schicke Hose in die Reinigung zu geben! Ich hatte nicht den geringsten Plan, was ich anziehen sollte. Lila kam zur Tür hereingerannt, Kaffee schwappte auf den Fußboden.
    »Was stehst du hier blöd rum«, schrie sie. »Los, zieh dich an!«
    Ich nahm ihr die Tasse aus der Hand und sank aufs Bett. »Lila, ich weiß nicht, was ich anziehen soll«, flüsterte ich.
    »Ich fass es nicht«, stöhnte Lila. »Ich fass es einfach nicht!«
    In diesem Augenblick tauchte Harald in der Tür auf. Er trug quietschgelbe Boxershorts und stieg im Laufen in seine Jeans.
    Verpiss dich, dachte ich und zog das Handtuch enger um mich. Laut sagte ich: »Musst du nicht zu deinen Wurzelbehandlungen?«
    Harald beachtete mich nicht. Mit zwei großen Schritten war er an

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