Brian Lumleys Necroscope Buch 3: Blutmesse (German Edition)
hoffte, das Schweigen bedeute, dass ihr Vater jetzt irgendwo in einem Krankenhaus sei und sich erhole. Wenigstens betete sie, dass es so sein möge.
Wenn Major Khuv sie verhörte, war das fast genauso schlimm. Der KGB-Mann hatte sie nicht ein einziges Mal angefasst, aber sie hatte das unbestimmte Gefühl, wenn er es je tun würde, dann würde er ihr unglaublich wehtun. Das Schlimme dabei war, dass sie ihm nichts zu erzählen hatte. Hätte sie etwas gewusst, dann hätte die Angst sie bestimmt zum Reden gebracht, oder wenn nicht die Angst, dann wenigstens die Hoffnung, dass sie danach aufhören würden, ihrem Vater wehzutun.
Und dann war da noch dieser schreckliche Vyotsky. Tassi fühlte nicht so sehr Angst vor ihm, sondern wirklichen Abscheu. Und sie spürte instinktiv, dass er ihren Abscheu genoss, dass er sich an ihm labte wie ein Ghoul an fauligem Fleisch. Sein Verhältnis zu ihr, als er sie nackt mit sich ablichten ließ, war nicht sexuell. Es war alles nur des Effekts wegen gemacht worden, einerseits, um sie zu demütigen, ihre Verletzlichkeit zu betonen und ihr das Gefühl zu geben, sie sei das Allerletzte, und andererseits, um ihr die Macht ihres Peinigers zu beweisen – ihr zu zeigen, dass er in der Lage war, sie auszuziehen, zu begaffen und zu betatschen, ohne dass sie auch nur einen Finger heben konnte, um ihn daran zu hindern. In erster Linie war es jedoch etwas, das er benutzen konnte, um jemand anderen damit zu quälen. Vyotsky, dieser Sadist, hatte ihr gesagt, die Fotografien seien für den britischen Spion, Michael Simmons, den sie als Mikhail Simonow gekannt hatte. »Um den armen Kerl in den Wahnsinn zu treiben!« Vyotsky machte kein Hehl daraus, dass die Idee ihn entzückte. »Er hält sich für so cool – das werden wir ja sehen!«, hatte er gesagt. »Wenn ihn das nicht zur Weißglut treibt, dann weiß ich auch nicht mehr.«
Der KGB-Schläger war wahnsinnig, davon war Tassi überzeugt. Obwohl er sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr aufgesucht hatte, erstarrte sie immer noch, wenn sie jemanden vor der Zellentür hörte; und wenn die Fußtritte dann anhielten ... dann wurde ihr Atem hektisch, und ihr geplagtes Herz begann zu rasen.
So wie in diesem Augenblick, aber in diesem Fall war ihr Besucher nur Vyotskys Vorgesetzter, Major Khuv.
Nur Major Khuv!, dachte Tassi, als der aalglatte KGB-Offizier ihre Zelle betrat. Was für ein Witz! Aber ihr war nicht zum Lachen, als er ihr Handgelenk an seines kettete und sagte:
»Taschenka, meine Liebe, ich möchte dir etwas zeigen. Da ist etwas, von dem ich glaube, dass du es wirklich sehen solltest, bevor wir uns noch einmal unterhalten. Du wirst schon bald verstehen, warum.«
Während sie hinter ihm herstolperte, grübelte sie, wohin er sie bringen würde. Da sie nur ein Bauernmädchen war, war das Institut für sie ein Irrgarten, ein albtraumhaftes Labyrinth aus Stahl und Beton. Ihre Klaustrophobie beeinträchtigte ihren Orientierungssinn so sehr, dass sie sich schon nach dem ersten Schritt aus ihrer Zelle heraus nicht mehr zurechtfand.
»Tassi«, flötete Khuv, als er sie durch die fast verlassenen, nur schwach beleuchteten nächtlichen Korridore führte. »Ich will, dass du sehr gut nachdenkst. Viel sorgsamer, als du bisher nachgedacht hast. Und wenn es irgendetwas gibt, was du mir über die subversiven Aktivitäten deines Bruders, deines Vaters oder über die Leute aus Yelizinka im Allgemeinen sagen kannst – und vor allem über die geheime, anti-sowjetische Organisation, zu der die alle gehörten ... Na ja, das hier ist jetzt wirklich deine letzte Chance, Tassi.«
»Major«, sie keuchte. »Herr, ich weiß nichts über diese Sachen. Wenn mein Vater etwas damit zu tun hatte, wie sie sagen ...«
»Das hatte er garantiert.« Khuv sah sie an und nickte ernst. »Da kannst du dir sicher sein ... er hatte! «
Es war die Art, wie er das Wort sagte, diese gewisse Betonung. Tassi hielt sich die freie Hand vor den Mund: »Was ... was habt ihr ihm angetan?« Ihre Frage war nur ein schwaches Flüstern.
Sie kamen zu einer Tür mit einem Schild, das Khuv im Gegensatz zu Tassi schon einige Male gesehen hatte. Sie warf nur einen kurzen Blick darauf; da stand etwas von einem Wärter und Zutritt nur für Befugte.
Khuv benutzte seine Chipkarte, um die Tür zu entriegeln, drehte sich zu Tassi um und beantwortete ihre Frage. »Ihm getan? Deinem Vater? Ich? Ich habe nichts getan! Er hat das alles selbst zu verantworten – durch seine Weigerung, mit uns
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