Brian Lumleys Necroscope Buch 3: Blutmesse (German Edition)
Klaustrophobie, eine Ahnung von dem enormen Gewicht des Felsens, der auf ihn hinunterdrückte. Denn jetzt hatte er keinen Zweifel mehr daran, wo er war: Unter dem Ural.
Hastende Schritte erklangen, und die Tür wurde aufgestoßen. Jazz hob seinen Kopf, so weit es ihm möglich war, und starrte auf die Leute, die schnaufend in den Raum strömten. Zwei Männer und dahinter die dicke Schwester. Ihnen folgte ein dritter Mann. Sein Kittel und die Spritze in seiner Hand verrieten sofort, wer er war: der von Jazz so hochgeschätzte Pulsfühler, der glucksende Doktor. Na ja, jetzt hatte er etwas, worüber er glucksen konnte.
»Mike, mein Junge!« Der erste Mann, in gewöhnlicher Zivilkleidung, winkte die anderen zurück. Er näherte sich allein dem Bett und sagte: »Was erzählt uns die Schwester da? Du hast deine Pillen nicht genommen? Warum nicht? Hattest du Probleme mit dem Schlucken?« Die einschmeichelnde Stimme war die von Jazz’ Verbindungsoffizier.
Jazz nickte steif. Seine Stimme war schroff: »Das ist richtig, alter Junge, die sind mir irgendwie im Hals steckengeblieben.« Er hob die linke Hand und zerrte an den überflüssigen Verbänden. Er riss sie sich von den Augen. Er starrte auf die vier, die erstarrt vor ihm standen wie in Bernstein gefangene Insekten.
Nach kurzer Überlegung murmelte der Doktor etwas auf Russisch, machte einen ungeduldigen Schritt nach vorn und drückte den Kolben der Spritze ein wenig herunter. Der zweite Mann im Raum, der ebenfalls Zivilkleidung trug, ergriff ihn am Arm und hielt ihn auf. »Nein«, sagte Chingiz Khuv knapp auf Russisch zu dem Arzt. »Merkt ihr denn nicht, dass er Bescheid weiß? Da er jetzt nun mal wach ist, die Sache durchschaut hat und bei klarem Verstand ist, soll er auch so bleiben. Außerdem will ich mit ihm reden. Er gehört jetzt mir.«
»Nein«, erklärte Jazz und blickte ihn fest an. »Jetzt gehöre ich mir! Wenn Sie mit mir sprechen wollen, dann sorgen Sie besser dafür, dass ich wieder mit Drogen vollpumpt werde. Das ist die einzige Möglichkeit, mich zum Reden zu bringen.«
Khuv lächelte, trat direkt an das Bett heran und sah auf Jazz hinunter. »Oh, Sie haben bereits genug erzählt, das kann ich Ihnen versichern, Mr Simmons«, sagte er ohne eine Spur von Bosheit. »Aber ich will Sie auch gar nicht befragen. Ich beabsichtige, Ihnen ein paar Dinge zu erzählen und Ihnen vielleicht das eine oder andere zu zeigen. Das ist alles.«
»Ach?«
»Oh ja, ganz bestimmt. Ich werde Ihnen sogar das verraten, was Sie am meisten wissen wollen: nämlich alles über das Perchorsk-Institut. Was wir hier geplant hatten, und was tatsächlich geschehen ist. Würde Ihnen das gefallen?«
»Aber sicher«, entgegnete Jazz. »Und was wollen Sie mir zeigen? Den Ort, wo Sie diese verfluchten Monster züchten?«
Khuv runzelte die Stirn, aber dann lächelte er wieder und nickte. »Ja, so ungefähr. Nur eines sollten Sie von vornherein wissen: Wir züchten sie nicht.«
»Aber sicher doch.« Auch Jazz nickte. »Das ist etwas, bei dem wir uns ziemlich sicher sind. Das hier ist der Ursprung. Hier wurde es geboren – oder ist es geschlüpft.«
Khuvs Miene änderte sich nicht. »Sie haben Unrecht. Aber das war zu erwarten, denn Sie kennen nur die Hälfte der Geschichte – bis jetzt. Es ist von hier gekommen, aber es wurde nicht hier geboren. Nein, geboren wurde es auf einer ganz anderen Welt.« Er setzte sich auf die Bettkante und blickte Jazz durchdringend an. »Ich halte Sie für jemanden, der weiß, wie er am Leben bleibt, Mr Simonow.«
Jazz konnte sich ein spöttisches Schnauben nicht verkneifen. »Werde ich das hier überleben?«
»Das ist gut möglich.« Khuvs Lächeln war jetzt völlig ungekünstelt, als hätte er eine ganz besondere Pointe auf der Zunge. »Zuerst müssen wir Sie wieder auf die Beine bringen und Sie ein wenig herumführen, und dann ...«
Jazz drehte ihm fragend den Kopf zu.
»Und dann ... dann werden wir sehen, wie gut Sie wirklich darin sind, am Leben zu bleiben.«
DRITTES KAPITEL
Der Komplex, der in das Bergmassiv am Grund der Perchorsk-Schlucht gebaut worden war, war gewaltig, und Chingiz Khuv konnte einen gewissen Grad an vaterländischem Stolz auf diese Leistung nicht verhehlen, als er Michael J. Simmons herumführte – aber er hatte auch einen gehörigen Respekt vor Jazz‘ gut ausgebildeter Fähigkeit zur Sabotage. Auf ihrem Rundgang war der britische Agent buchstäblich in einer Zwangsjacke verschnürt, einem Kleidungsstück, das ihn von der
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