Bride Trilogie 01 - Bluete der Zaertlichkeit
können?«
Kyle hielt im Einschenken inne. Seine Erinnerung an die Ereignisse in Kimball House war getrübt, weil er damals so furchtbar wütend gewesen war. Er hatte von Lady Meriel kaum Notiz genommen. Er hatte sie überhaupt noch nie als reale Person empfunden, am allerwenigsten an jenem Tag, als seine ganze Aufmerksamkeit seinem Bruder galt. Aber plötzlich erinnerte er sich, dass sie etwas gesagt hatte. Sie hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie Dominic heiraten wollte und nicht ihn.
Natürlich würde sie das sagen, schließlich hatte Dominic sie verführt und ihre Gedanken vergiftet. Aber sie hatte gesprochen, und zwar in zusammenhängenden Sätzen, da gab es keinen Zweifel. Alle hatten angenommen, dass das Mädchen des Redens nicht fähig war. Sie musste sich also wirklich sehr verändert haben, seit Dominic in Warfield gewesen war.
Brandy tropfte auf seine Haut und er merkte, dass er die Flasche in seiner Hand vergessen hatte. Seine Ungeschicklichkeit ließ ihn erröten. Er nahm einen großen Schluck, als ob er ohnehin vorgehabt hätte, sich so viel einzuschenken. »Wenn sie wirklich aus Liebe geheiratet haben, warum hatte Dominic es dann so eilig, sie vor den Altar zu zerren? Wenn er auf meine Rückkehr gewartet und mich überzeugt hätte, dass er das Mädchen wirklich liebt, dann hätte ich sie ihm bestimmt gerne überlassen.«
»Dominic hatte keine Wahl«, erwiderte Lucia geradeheraus. »Meriels Onkel hatte sie in ein Irrenhaus sperren lassen. Dom wollte sicherstellen, dass man sie niemals wieder dorthin zurückschicken konnte.«
»Was? Ihr Onkel hat sie in eine Irrenanstalt gesteckt?«, fragte er schockiert. Warum würde Amworth so etwas tun? »Mir hat er gesagt, dass er das Mädchen verheiraten wollte, um sie vor dem Irrenhaus zu bewahren.«
»Es war ihr anderer Onkel, Lord Grahame.« Lucia strich sich abwesend durch das dunkle Haar. »Ich erzähle dir lieber alles der Reihe nach.«
Knapp berichtete sie, dass Amworth sehr krank geworden war und Grahame deswegen früher als geplant nach Warfield zurückkehrte. Dann erzählte sie von dieser Verkettung unschöner Ereignisse, die damit geendet hatte, dass Dominic Meriel aus dem Irrenhaus holte und sie so schnell wie möglich heiratete, um in legaler Hinsicht ihr Vormund zu werden. Kyle hörte stirnrunzelnd zu und fragte sich, ob Lucia ihm die Wahrheit erzählte. Vielleicht hatte Dominic nur versucht, das Wohlwollen seiner Schwester für sich zu gewinnen.
Lucia beschloss ihren Bericht. »Dominic hat sein Bestes getan, um diese ganze Sache ohne Skandal zu lösen. Die offizielle Version der Ereignisse, die er auch an Papa schrieb, ist die Folgende: Du dachtest, dass er und Meriel gut zusammenpassen würden. Du hast ihn dann an deiner statt zu Meriel geschickt, weil du ein so großherziger Mensch bist.«
Kyle lachte heiser. Es hörte sich wie ein kurzes Bellen an. »Er lügt wirklich gut.«
»Seine Version ist besser als die Wahrheit. Soll alle Welt wissen, dass du es nicht für nötig hieltest, deiner eigenen Frau den Hof zu machen?«, gab Lucia bissig zurück. »Warst du ehrlich um Meriel bemüht oder kannst du es nur einfach nicht ertragen, dass Dominic dir eines deiner Spielzeuge weggenommen hat?«
Er starrte in das Brandyglas und fragte sich, ob nicht ein Funken Wahrheit in dieser Anschuldigung lag. »Es geht nicht um Rivalität«, erwiderte er mit belegter Stimme. »Ich habe Dominic vertraut und er hat mich hintergangen.«
Sie seufzte. »Das kann ich verstehen. Aber andererseits weiß ich, dass es eine ganze Reihe außergewöhnlicher Umstände zu berücksichtigen gab. Diese zwangen Dominic, etwas zu tun, das dich verletzen würde. Er hatte einfach keine Wahl, wenn er die Frau beschützen wollte, die er liebt.« Sie neigte den Kopf ein wenig zur Seite. »Bist du jemals verliebt gewesen, Kyle?«
Der Stiel seines Glases zerbrach in kleine Stücke und schnitt eine tiefe Wunde in seine Hand. Brandy ergoss sich über seinen Schoß. Fluchend wies er Lucia mit einer Handbewegung ab, als diese sich erhob, um ihm zu helfen.
Während er ein Tuch um die blutende Hand wickelte, fragte er sich wütend, wie Dominic es wagen konnte, von Liebe zu sprechen. Er hatte jede Menge Affären gehabt, hatte nicht wie er einer einzigen Frau zehn Jahre gewidmet. Er hatte nicht erlebt, wie es war, die sterbende Geliebte in den Armen zu halten ...
Zu seinem Entsetzen merkte Kyle, dass er im Begriff war, vor den Augen seiner Schwester die Fassung zu verlieren.
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