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Brief in die Auberginenrepublik

Brief in die Auberginenrepublik

Titel: Brief in die Auberginenrepublik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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ersehnt hatte. Nicht in Joader beziehungsweise in Hiroshima bleiben zu müssen, dafür war ich zu kämpfen bereit. Und nie wieder dorthin zurückkehren zu müssen, danach strebe ich weiter, seit ich Polizist geworden bin …
    Immer wenn ein politisch aktiver Mann verhaftet wird, verschwindet er aus dem Leben, aus seinem Viertel. Keine Nachricht. Man erfährt nicht, wo er sich aufhält. Die Angehörigen solcher jungen Männer, die bereit sind, alles zu tun, um ein Lebenszeichen von ihren Kindern zu erhalten, sind das beste Geschäft der Sicherheitspolizei. Das merkte ich schnell. Der erste Fall, den ich bearbeitete, brachte mir Geld und einen guten Ruf in meinem Hiroshima. In diesem eher harmlosen Fall musste ich nur einer Nachbarsfamilie mitteilen, in welchem Gefängnis sich ihr verhafteter Sohn befand. Für diese Information verlangte ich 800 Dollar. Von Anfang an wusste ich, wo der Junge saß. Die Haftanstalt Rassafa, in der ich arbeite, ist zuständig für die Verdächtigen aus Saddam City. Nach der Verhaftung müssen sie für Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre dorthin. Trotzdem ließ ich die Eltern des Jungen eine Woche warten, bis ich ihnen schließlich mitteilte: »Rassafa.« Mit dieser Auskunft begann automatisch das nächste Geschäft mit der betroffenen Familie. »Welcher Offizier ist für den Jungen verantwortlich?« Ich vermittelte zwischen dieser Familie und meinem Unteroffizier, mit dem ich seitdem solche Geschäfte betreibe. Ich kassierte nochmals 400 Dollar. Was später aus dem Jungen wurde, erfuhr ich erst viel später, als sein Vater zu mir kam, sich bei mir bedankte und mir mitteilte, dass der Sohn inzwischen im Ausland sei.
    Eine zweite Möglichkeit, Geld zu verdienen, tut sich immer wieder auf und ist noch weniger aufwändig. Viele Angehörige möchten ihrem verhafteten Jungen Kleidung und Essen schicken. Dafür nehme ich nur 200 oder 100, manchmal sogar nur 50 Dollar. In Wirklichkeit ist diese Art Hilfe undurchführbar. Ein Wächter, der den Häftlingen solche Dinge zusteckt, wird hart bestraft, wenn man ihn erwischt. Einmal war ich dabei Zeuge. Ein Aufseher, der einem der Gefangenen ein Stück Fladenbrot gegeben hatte, wurde ertappt und stundenlang mit dem Elektroschock-Gerät gefoltert und gequält. Deswegen verschenke ich die guten neuen Kleidungsstücke immer an meinen Unteroffizier oder meinen Kollegen, und gebrauchte Kleidung schmeiße ich in den Fluss. Abgegebenes Essen teile ich mit den anderen Gefängniswärtern.
    Meine Mutter Nejla muss jetzt nicht mehr viel Geld verdienen. Früher arbeitete sie viel, damit wir, meine zwei Geschwister und ich, überleben konnten. Ich empfand immer etwas Scham, wenn ich sie bei der Arbeit sah. Ich wollte, dass sie es sich, wie die alten Frauen der besseren Wohngegenden, zu Hause gemütlich macht und nur schöne Dinge tut. Früher hat sie Hochzeitstänze und Trauerfeiern animiert oder politische Demonstrationen. Was die Tanzanimation anbelangt, so ging es dabei um Hochzeiten, die üblicherweise auf dem Hauptplatz des jeweiligen Wohnblocks stattfanden. Inmitten der Stühle, unter dem hellen Licht vieler Laternen, die um den Festplatz hingen, begann meine Mutter wie eine Wahnsinnige vor den Gästen und dem DJ herumzuspringen und zu tanzen. Am Anfang wagten es die Gäste nie, sich von ihren Stühlen zu erheben, ihre Hinterteile klebten an ihnen wie an Pistazienhonigplätzchen. Mit allen Mitteln versuchte meine Mutter, sie zum Tanzen zu animieren, obwohl sie eigentlich überhaupt nicht tanzen konnte. Sie hüpfte und tippelte aufgeregt umher, jubelnd wie eine ganze Schulklasse, wenn keine Hausaufgaben gegeben werden, und schaffte es irgendwie, die Leute mit ihrer guten Laune anzustecken. Nicht zuletzt deshalb, weil sie viele aufgrund ihres Alters zum Lachen brachte. »Schau, die alte Schachtel, wie sie tanzt!« Wenn die Gäste begeistert klatschten, spornte sie das an, noch wilder und fröhlicher zu tanzen, bis alle schließlich selbst anfingen, zaghaft mit den Füßen zu wackeln oder auf den Stühlen zu schunkeln. An diesem Punkt hatte sie ihre Aufgabe erfüllt. Die Hochzeitsgesellschaft machte dann damit weiter, womit meine Mutter begonnen hatte. Gegen Ende der Feier ging meine Mutter zu den Eltern des Brautpaares und gratulierte ihnen. Da die Menschen an einem solchen Festtag sehr großzügig sind, bekam sie jedes Mal durch Spenden ein gutes Honorar.
    Ähnliches galt auch für die Trauerfeiern. Wenn jemand gestorben war, ging sie, ganz in Schwarz

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