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Briefe an eine Freundin

Briefe an eine Freundin

Titel: Briefe an eine Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Humboldt
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erlebten, wie wichtig, wie unendlich viel, was daraus hervorging! Sollte ich Ihrer Teilnahme gewürdigt, Ihres segenreichen Einflusses teilhaftig werden, so dürfte auch nichts anders sein, als es war. Demohngeachtet ist es natürlich, daß mich das Zurückrufen einer leidenvollen Vergangenheit sehr ergreift, und deshalb kann ich nicht gleich eine bestimmte Antwort geben. Sie wissen schon aus meinen früheren Briefen, daß ich ungewöhnlich und ungemein viel erlebte. Manche Bilder erbleichen und schwanken; ich möchte sie nicht wieder herausholen, ja, ich darf das nicht; es würde mich zerstören, wollte ich zu lange verweilen in düstern, grauenvollen Gegenden. Sie scheinen sich selbst diese Einwendungen gemacht zu haben und wissen besser, als ich es sagen kann, daß, wer viel erlebt hat und großen Schmerz kennt, ihn schweigend ehrt, nicht davon redet noch reden kann, indes der, der den Schmerz weder kennt noch versteht, unendlich davon erzählt. Ich erwarte
mit Zuversicht die Antwort und darf sie erwarten, denn Sie zürnen gewiß nicht über meine zaghaften Einwendungen und haben Nachsicht mit meiner Schwäche, indem Sie zugleich erkennen, daß es mein Wunsch und Wille ist, Ihnen zu gehorchen. Vielleicht übersende ich Ihnen schon früher, als Sie es erwarten, einige Bogen als Probe.«
    S. 51 Ich war in Düsseldorf bei Jacobi: Der Philosoph Friedrich Heinrich Jacobi (1743-1819), den Humboldt im Herbst 1788 auf seiner Rheinreise kennen gelernt hatte. Er schreibt damals in einem Briefe an Georg Forster, mit dem er kurz vorher enge Freundschaft geschlossen hatte, folgendes über diese Begegnung mit Jacobi: »Sein Umgang war mir über alles interessant. Er ist ein so vortrefflicher Kopf, so reich an neuen, großen und tiefen Ideen, die er in seiner so lebhaften Sprache vorträgt; sein Charakter scheint so edel zu sein, daß ich in der Tat nicht entscheiden mag, ob er zuerst mein Herz oder meinen Kopf gewonnen hat. Er hat mir erlaubt und versprochen, die Verbindung durch einen Briefwechsel zu unterhalten.«
    S. 54 Ihr alter väterlicher Freund Ewald: Johann Ludwig Ewald (1747-1822), Pfarrer, später Generalsuperintendent und Konsistorialrat, wird des öfteren in den Briefen erwähnt.
    S. 92 Die Kraft abgewinnt, zu erscheinen: hierüber gibt Charlotte in ihren Zusätzen folgende Ausführungen:
    »Es möchte eine Erklärung nötig sein über die dunkeln Andeutungen, welche dieser Brief enthält. Zwar bin ich nicht imstande, die Rätsel zu lösen, nur erzählen kann ich das Geheimnisvolle, was Wilhelm von Humboldt so sehr interessierte. Es schien nämlich ganz unzweifelhaft, daß etwas Geheimnisvolles, ja in ein unsichtbares Bereich Gehörendes, nie Aufgehelltes (so sorgfältig auch danach geforscht wurde) in meinem Vater lag. Auch war er sich dessen wohl bewußt. Ohne erfreut oder niedergeschlagen darüber zu sein, sprach er
wohl darüber, erzählte mehrere Erfahrungen aus verschiedenen Epochen seines Lebens, ernst, würdig, ohne festen Glauben, ohne Furcht, aber auch ohne spöttisches, starkgeisterisches Verwerfen. Er pflegte wohl zu sagen: den Zusammenhang zwischen der sichtbaren und unsichtbaren Welt hat noch niemand durchschaut und erkannt.
    Es waren weniger Erscheinungen als Wahrnehmungen durchs Gehör; laute, ja lärmende Bewegungen in den von ihm bewohnten oder benutzten Zimmern, oft alsbald wenn er sie verließ, nie während seiner Gegenwart. Diese Geräusche waren dem Beschäftigungsgeräusche gleich, das er in einem eigentlich gelehrten Leben durch die damit verbundenen Bewegungen erregte: Kramen zwischen Büchern, Schriften und Papieren, Zusammenrücken der Tische, Herbeiziehen der Stühle, bald langsames, bald schnelles Hin- und Hergehen – alles ebenso, nur lauter, als es mein Vater betrieb, so daß Mutter und Kinder im unteren Stock oft glaubten, der Vater sei zu Hause. Dieser pflegte, wenn es das Wetter erlaubte, mittags vor Tisch eine Stunde spazieren zu gehen oder zu reiten. Er hatte die Gewohnheit, dann seine Arbeitsstube zu verschließen und den Schlüssel einzustecken. In diesen Mittagsstunden war das Lärmen am lautesten. Sehr oft, wenn er zu Tisch kam, war er ernst, etwas düster und schweigend, aß wenig oder auch garnichts. Ein andermal erzählte er, ruhig immer, doch oft mit umwölkter Stirn: wenn er den Schlüssel einstecke und aufschließen wolle, scheine es, als ob der unsichtbare Teilnehmer des Zimmers, gleichsam als werde er überrascht, schnell aufspringe und mit Poltern, Umwerfen der

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