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Briefe an eine Freundin

Briefe an eine Freundin

Titel: Briefe an eine Freundin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm von Humboldt
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einen Erwerb zu schaffen, zog sie 1804 nach Braunschweig, wo sie durch Handarbeiten sich ein auskömmliches Dasein zu verschaffen suchte. Dort traf sie ein schwerer Schlag, als sie die Nachricht von der Verheiratung Hansteins erhielt, durch die sie aufs tiefste erschüttert wurde. »Ach, ich fühle es zu tief und zu stark«, schrieb sie damals an ihre Schwester, »daß ich ein halbes Menschenalter mit seinen Ansprüchen und Freuden geopfert habe, um es nun zu betrauern, daß ein edler Mann (Du weißt, er war es!) sich selbst überlebt hat! Das ist mein Schmerz; nicht daß ich ihn verloren habe – obgleich ich jetzt glaube, daß ich tief im Herzen die Hoffnung, mir selbst unbewußt, genährt habe, er werde einst als mein Freund mit erhöhter Achtung zurückkehren.«
    Nun hielt es sie nicht länger in Braunschweig, und sie zog nach Kassel, der Hauptstadt des ausschweifenden, leichtlebigen Königs »Lustik«, wie das Volk Jerôme nannte, zurück. Hier schuf sie sich durch Vermieten und Anfertigen von »Blumen und Ballgarnituren« einen Unterhalt, der mit den Zinsen ihres Vermögens, das sie in Braunschweigischen Staatspapieren angelegt hatte, ihr ein auskömmliches Leben gestattete. Von der klugen, geistvollen Frau angezogen, fanden sich bald zahlreiche interessante Persönlichkeiten in ihrem bescheidenen Heim ein. Da verlor sie unerwartet ihr Vermögen, als Napoleon die Staatsschuld Braunschweigs nicht anerkannte, und eine neue seelische Erschütterung, die ihr eine unglückliche Neigung zu einem Manne brachte, der sie hätte glücklich machen können, den sie aber »an ihr welkendes Leben« nicht fesseln wollte, da sie ihm »außer einem verständigen, veredelten Herzen nichts bieten konnte: keine Jugend, keine Schönheit, kein Vermögen, ja auch leider keine Gesundheit« – warf die schwer geprüfte Frau aufs Krankenlager, und aufs neue trug sie sich mit dem Gedanken, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Die Jahre 1811 bis 1813 gehörten zu den schwersten ihres Lebens. Schließlich verschlug sie ihr Geschick nach Holzminden, wo sie schon einmal nach dem Eheskandal in Kassel geweilt hatte, und hier erinnerte sie sich in ihrer Not ihres Jugendfreundes aus Pyrmont, der ihr vielleicht helfen könnte, und am
18. Oktober 1814 schrieb sie an Wilhelm von Humboldt, der damals als preußischer Abgesandter auf dem Wiener Kongresse weilte. Wir wissen, daß dies der Anfang jenes Briefwechsels war, den Humboldt bis zu seinem Tode – zuletzt mit rührender Entsagung – geführt hat, und der Charlotte Diede einen ruhigen Lebensabend geschaffen hat.
    Die 26 Jahre, in denen Humboldts Jugendfreundin so ungezählte Leiden auszukosten hatte, hatten aus dem jungen Studenten der Rechte den großen Staatsmann »von perikleischer Hoheit des Sinnes« und Gelehrten werden lassen, dessen Freundschaft die Größten unserer Nation suchten, und der durch seine Taten und Schriften Gewaltiges für die deutsche Kultur geschaffen hat.
    Unmittelbar nach jenem Erlebnis in Pyrmont hatte er, der schon vorher in Berlin zu dem Tugendbund mit Henriette Herz und Karl de la Roche gehörte, seine spätere Gattin Karoline von Dacheröden kennen gelernt, die mit Schillers späterer Schwägerin, der nachmaligen Karoline von Wolzogen, ebenfalls in diesem romantischen Freundschaftsbunde aufgenommen war. Schon am 1. September 1788, also wenige Wochen nach dem Zusammentreffen mit Charlotte Hildebrand in Pyrmont, schrieb er einen überschwenglichen Brief an Li, wie Karoline von Dacheröden im Freundeskreise hieß, die im Jahre darauf seine Braut wurde und mit der er seit 1791 achtunddreißig Jahre
eine überaus glückliche Ehe geführt hat, bis ihm der Tod die treue Lebensgefährtin entriß. Wie nur wenigen Sterblichen war es ihm vergönnt, sich sein Leben zu formen, wie es ihm behagte, und ungetrübt durch äußere Widerwärtigkeiten konnte er auf seiner Bahn fortschreiten, die ihn auf die Höhen der Menschheit führte. Auf weiten Reisen nach Frankreich, Spanien, Italien und England hatte er Welt und Menschen kennen gelernt, und nach jahrelanger Muße, in der er sich auf seinen Besitzungen ganz seinen Forschungen widmen konnte, hatte er in der Zeit schwerster vaterländischer Not sein überragendes Wissen und seine Kraft in den Dienst des Vaterlandes gestellt, hatte die Berliner Universität mitbegründet und weilte damals, als Charlotte Diede sich in ihrer Not an ihn wandte, auf dem Wiener Kongreß.
    Noch sechs Jahre war er im Dienste des Staates tätig, dann

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