Briefe an eine Freundin
eine eigentliche Auswanderung nach den Bädern. Doch glaube ich, daß es auch hier mehr Mode ist als anderswo, und z. B. bei Ihnen und in Ihrer Gegend.
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Sie schreiben, liebe Charlotte, in Ihrem letzten Brief viel von Gewittern, indem Sie auf etwas antworten, was ich in einem meiner Briefe darüber gesagt hatte. Ich bekam Ihre lieben Blätter gerade bei einem heftigen Gewitter. Daß es Ihnen ist, als könnten Sie den Wunsch hegen, gerade durch einen Blitz zu sterben, bin ich weit entfernt zu tadeln, ich finde es, wenn man den Tod leicht gegenwärtig hat, sehr natürlich und würde den Wunsch ohne Anstand selbst teilen. Es ist ein so reiner, garnicht verstümmelnder, kaum verletzender Tod, und wenn man auch immer, welche Todesart einem auch bestimmt sein mag, durch eine höhere Fügung stirbt, so ist es doch in der Einbildungskraft nicht auszutilgen, was Sie auch von Ihren Kinderjahren sagen, daß dieser Tod als einer angesehen wird, der gleichsam unmittelbar vom Himmel kommt. Unter den Elementen gibt es kein reineres und schöneres Feuer, als das bloß durch die elektrische Naturkraft entstehende. Man wird auch bei dieser Todesart in einem so majestätischen Schauspiel hinweggenommen, daß darüber das Gewaltsame verschwindet. Kein durch äußere
Umstände herbeigeführter Tod ist dem natürlichen so nahe kommend als dieser. Unstreitig aber sehen die vom Gewitter Erschlagenen weder den Blitz, noch hören sie den Donner. Es kann nur eine Sekunde sein, wo Leben und Bewußtsein dahin sind. Es ist indes sonderbar, daß Personen, die sich vor dem Gewitter fürchten, gerade bei dem Donner am meisten in Schrecken zu geraten pflegen: wenn man den Donner hört, ist alle Gefahr vorüber. Wieviel man ihnen das sagen mag, es hilft nichts. Es liegt das gewiß darin, daß der Donner durch sein furchtbares Krachen und langsam steigendes Rollen die Nerven erschüttert und damit alle ruhige und verständige Überlegung raubt, oder wenigstens schwächt. Es mag überhaupt die Gewitterfurcht nicht immer sowohl Furcht und ängstliche Besorgnis vor der drohenden Gefahr, sondern öfter eine Wirkung des Blitzes und des Donners auf reizbare Nerven sein. Es ist aber überhaupt eine nicht so leicht zu beantwortende Frage: ob vorzuziehen ist, schnell hinweggerufen zu werden, oder langsam zu sterben und das Bewußtsein seines Todes zu haben. Ich setze freilich dabei immer voraus, daß auch der langsame Tod ein schmerzloser sei. Selbst theologisch hat man die Frage aufgeworfen. Der Grund, den man sich dabei gedacht hat, ist wohl kein anderer gewesen, als daß man Zeit haben soll, sich auf den Tod vorzubereiten, damit man nicht unbußfertig sterbe. Davon, gestehe ich, würde ich wenig halten, und bin ohne Ihre Erklärung
darüber gewiß, daß wir gleicher Meinung sind. Die Vorbereitung zum Tode muß das ganze Leben sein, so wie das Leben selbst, und wirklich von seinem ersten Schritte an, eine Annäherung zum Tode ist. Allein wenn ich auch in diesen Grund nicht eingehen kann, so läßt sich sonst, wenigstens im individuellen Gefühl, manches zugunsten eines voraussehenden, mit Bewußtsein verknüpften Todes sagen. Es hat immer etwas sehr Gewaltsames, so plötzlich hinweggerufen zu werden, auch wenn es ein bloßer Schlagfluß ist, und in der Tat noch so sanft. Dann aber liegt noch etwas Menschliches darin, sich dem Gefühl des Todes nicht entziehen zu wollen, ihn kennen zu lernen, bis auf den letzten Hauch das scheidende Leben in sich zu beobachten.
Leben Sie recht wohl, liebste Charlotte, und suchen Sie sich gegen den Ihnen so nachteiligen Einfluß der Hitze zu verwahren. Ihre Meinung, immer durch Aderlässe sich zu erleichtern, beunruhigt mich. Sie können dadurch nur geschwächt werden, und noch mehr bei Ihrem Mangel an Eßluft. Der Ihrige. H.
Bad Gastein
, den 5. August 1827.
D er Ort hier liegt schon den höchsten Bergen Deutschlands sehr nahe. Man befindet sich selbst hier im Bade 2000 Fuß über der Meeresfläche. Das Tal ist überaus lieblich und schön. Von Salzburg hierher
geht eine sehr große, sehr bequem angelegte Straße. Doch ist das Tal sehr enge. Im Grunde dankt man dies Tal nur dem Lauf des Flusses, welcher darin sein Bett hat. Von Salzburg aus ist es den größten Teil des Weges über die Salza, einige Meilen von hier aber die Ache, die in die Salza fließt. Sehr selten aber kann der Weg neben dem Fluß in der Talebene hinlaufen. Meistenteils hängt er hoch an dem Felsen und geht nur da hinunter, wo
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