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Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt

Titel: Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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Guerillakrieges verloren sie sich aus den Augen. Siri und Boua waren nach Vietnam gegangen, und Daeng war im Süden geblieben. Und jetzt, an Siris erstem Tag in Champasak, hatten sie sich wiedergefunden.
    Als Siri sie seinem Cousin »Pop« vorstellte, verzog sie das sonnengegerbte Gesicht zu einem schiefen Lächeln. Sie hatte ihm immer schon angesehen, wenn er log. Sie begrüßte den »Cousin« und erklärte Siri, ihre Wiedersehensfeier könne warten. Einstweilen versprach sie, ihnen das beste Mittagessen aufzutischen, das sie je gekostet hätten, und ging davon, um das versunkene Sieb aus dem Kessel zu fischen. Siri wusste aus Erfahrung, dass dies keine leere Versprechung war. Als die riesigen Schüsseln schließlich vor ihnen standen, ließ das betörende Aroma sie ihre morgendlichen Abenteuer rasch vergessen. Die pikanten Gewürze liebkosten ihren Gaumen und brachten ihnen zu Bewusstsein, wie viele Jahre ins Land gegangen waren, seit sie zuletzt etwas so Köstliches gegessen hatten. Selbst Siri schmeckte trotz seiner tauben Sinne jedes Kraut, jede Wurzel und jedes Gemüse mühelos heraus. Er vergaß Civilai, ebenso wie Civilai keinen Gedanken mehr an ihn verschwendete, bis auch der letzte Tropfen Brühe vertilgt war.
    Civilai fand als Erster die Sprache wieder. »Das … das war …«
    »Ich weiß.«
    »Wollen wir sie nicht nach Vientiane mitnehmen?«, fragte Civilai, nur halb im Scherz. »Dort könnte sie ein richtiges Restaurant eröffnen, statt ihr Dasein unter einer schmuddeligen Plane zu fristen und für fünfzig Kip pro Portion die Fährpassagiere zu bekochen. Sie würde im Geld schwimmen.«
    »Glaub mir, Bruder«, sagte Siri. »Wenn eine Frau wie Madame Daeng denn schwimmen wollte, würde sie das sicher tun. Das hier hat sie sich ausgesucht, weil es sie glücklich macht.«
    »Trotzdem …«
    »Schon gut. Ich habe dir von meinem toten Mann im Bad und seiner dusseligen Frau berichtet. Jetzt bist du dran. Wie war’s auf dem Postamt?«
    »Ich wollte, ich könnte dir eine lange, lustige Geschichte mit Happy End erzählen.«
    »Kein Glück?«
    »Der Beamte warf einen Blick auf Umschlag und Poststempel und meinte, die Sendung könne praktisch jeder aufgegeben haben. Was schwerlich von der Hand zu weisen ist. Täglich kommen etwa zweihundert Leute mit Briefen. Sie kaufen Marken, er stempelt sie ab und wirft die Briefe in einen großen Sack. Danach werden sie in kleinere Säcke sortiert und schließlich in den Bus verfrachtet.«
    »Und er konnte sich nicht zufällig an einen Kunden entsinnen, der alle vierzehn Tage einen Brief nach Vientiane aufgab?«
    »Siri, es stand ja noch nicht einmal ein Nachname darauf. Er war an ein Postfach adressiert. Woran hätte er sich da erinnern sollen? Ich habe ihn so lange gelöchert, bis er einen Wutanfall bekam und mir mit der Polizei drohte.«
    »Keine Sorge, von dieser Seite haben wir nichts zu befürchten. Aber es freut mich, dass du mit der Post auf so freundschaftlichem Fuße stehst.«
    »Siri, ich …«
    Daeng unterbrach ihr Gespräch mit zwei weiteren Schüsseln heißer Nudeln. Die beiden alten Kämpen waren satt und rund wie ein Paar gedämpfte Reiswürstchen, doch das Gericht verströmte einen so sinnlichen Duft, dass ihm selbst ein Palasteunuch nicht hätte widerstehen können. Daeng zwinkerte schelmisch, und sie tauchten ihre Löffel in die Brühe. Ein ganz neuer Geschmack, eine ganz neue Liebe. Nach mehreren Minuten genüsslichen Schlürfens brachte Siri mühsam einen Satz über die Lippen. »Gib mir mal den Umschlag«, sagte er.
    Civilai reichte ihm den Brief und sah zu, wie sein Freund ihn inspizierte.
    »Ich weiß schon. Du bestäubst ihn mit deinem Zauberpulver und nimmst der ganzen Provinz die Fingerabdrücke ab.«
    »Nein, du Genie. Und deine Frotzeleien kannst du dir sparen. Meine Maigret-Nummer ist nämlich überaus erfolgreich. Also. Was würde mon copain wohl tun, um den Kreis der Verdächtigen einzugrenzen? Er würde vermutlich versuchen, die Herkunft des Umschlags festzustellen.« Als er ihn umdrehte, bemerkte er etwas, das ihm bislang nicht aufgefallen war.
    »Was ist?«
    »Hier in der Ecke. Das sieht aus wie ein X, mit Bleistift. Offenbar hat jemand versucht, es auszuradieren, was ihm jedoch nicht restlos gelungen ist. Was, glaubst du, hat das zu bedeuten?«
    »Im Westen ist es das Symbol für einen Kuss. Die Teufelsvagina wird doch nicht heimlich mit der Frau des Zahnarztes geflirtet haben? Eine Affäre hinter seinem Rücken?«
    » Ménage à trois

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