Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt

Titel: Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
Vom Netzwerk:
d’espionnage? Ich glaube eher, das Geschäft, das die Umschläge verkauft, markiert jeden zehnten oder zwanzigsten mit einem X, damit man sie leichter zählen kann.«
    »Vor dir ist wirklich kein Strohhalm sicher.«
    »Immerhin. Möglich wär’s.«
    »In Luang Prabang soll es schon einmal Kaulquappen geregnet haben.«
    »Wenigstens haben wir jetzt einen neuen Anhaltspunkt. In Pakxe dürfte es nicht allzu viele Läden geben, die Briefumschläge verkaufen. Und dann ist da noch die Teufelsvagina.«
    »Bei der es sich durchaus um einen Mann handeln könnte.«
    »Stimmt. Eindeutig zweideutig, wenn du mich fragst. Ich finde, wir sollten uns ein wenig umhören. Vielleicht ruft der Name ja eine Reaktion hervor.«
    »Du meinst, außer Hohn und Spott?«
    »Aus deiner Zurückhaltung schließe ich, dass es dir lieber wäre, wenn ich die Vagina erkunden würde.«
    »Nein, nein. Das besorge ich schon selbst. Du kannst dich derweil um die Briefumschläge kümmern.«
    »Was hältst du davon, wenn wir Daeng ins Vertrauen ziehen?«
    »Siri, ich glaube kaum …« Aber Siri hatte seiner alten Kampfgenossin schon gewinkt, worauf Civilai resigniert den Kopf schüttelte und eine ungehörte Warnung murmelte. Daeng setzte sich zu ihnen und wischte sich die Hände an einem Tuch ab.
    »Ihr bleibt gefälligst hier sitzen, bis ihr ratzeputz aufgegessen habt«, sagte sie.
    »Keine Bange«, versicherte Siri. Er nahm ihre Hand. »Wir gehen erst, wenn wir das Dekor von den Schüsseln geleckt haben. Aber einstweilen würden wir dich gern an einem kleinen Rätsel teilhaben lassen.«
    »Hach, wie aufregend. Ich liebe Denksportaufgaben.«
    »Ich weiß. Mein Cousin und ich sind auf der Suche nach der Teufelsvagina.«
    Daeng brüllte vor Lachen. Die wenigen noch verbliebenen Gäste sahen lächelnd zu ihr herüber.
    »Also, ich habe im Laufe meines langen Lebens ja schon so manchen unzüchtigen Antrag bekommen«, sagte sie und wischte sich die Tränen aus den Augen. »Aber die meisten Männer eures Alters mögen es nicht ganz so zäh und abgehangen und ziehen etwas Jüngeres vor, zum Beispiel Bauernmädchen frisch vom Land.«
    »Es handelt sich, glaube ich, weniger um ein weibliches Geschlechtsorgan«, sagte Siri, »als vielmehr um den Spitznamen einer Person oder einen Ortsnamen. Du hast nicht zufällig schon mal davon gehört?«
    Wieder lachte sie. Dabei errötete sie wie ein Teenager. »Ein Ortsname? Nein. Wenn mir jemand über den Weg gelaufen wäre, der aus des Teufels Vagina stammt, würde ich mich bestimmt daran erinnern.« Das hatte einen neuerlichen Lachanfall zur Folge, dessen Wirkung sich Siri und Civilai nur schwer entziehen konnten.
    »Keine Sorge, Jungs«, sagte sie, als sich die Heiterkeit gelegt hatte. »Ich höre mich mal um.«
    Siri bemerkte Civilais besorgte Miene und beugte sich zu Daeng.
    »Aber pass auf, wen du fragst«, sagte er.
    Er brauchte das nicht weiter auszuführen. Sein Tonfall verriet ihr, dass sie sich auf eine heikle Angelegenheit einließ.
    »Siri, mein Lieber, du wirst dich wohl niemals ändern? Stets der tollkühne Held, der ausgezogen ist, die Menschheit vor dem Untergang zu retten. Was dich hoffentlich nicht daran hindern wird, mir ein wenig von deiner kostbaren Zeit zu widmen, solange du hier bist. Wir haben uns eine Menge zu erzählen.«
    Ein Stück abseits der Fähranlegestelle stand ein Mann im Eingang einer baufälligen Villa aus der französischen Kolonialzeit. Er hielt den Blick fest auf die beiden Männer am Nudelstand gerichtet. Sein Fernglas brauchte er nicht, denn er hatte Augen wie ein Adler. Beim Militär hatte er nicht nur die Fertigkeiten, sondern auch die Geduld erworben, die zur Erfüllung seiner Mission vonnöten waren. Die Sache hatte keine Eile.
    »Wie geht es ihr?«, fragte Civilai. Er saß in einem Korbsessel am Fenster seines Zimmers. Auf dem Rückweg hatte Siri im Bureau de Poste Station gemacht und ein Ferngespräch geführt. Er setzte sich aufs Bett und seufzte.
    »Ich weiß auch nicht. Sie hat das seltene Talent, selbst dann fröhlich und gutgelaunt zu klingen, wenn das Gewicht der Welt auf ihren Schultern lastet.«
    »Meinst du, sie ist beleidigt, weil wir nicht dabei waren?«
    »Nein. Wenn Dtui eines nicht ist, dann nachtragend. Sie weiß, warum wir hier sind. Wenn die Verbrennung nicht gewesen wäre, säße sie vermutlich längst im Bus hierher.«
    »Wie ist es gelaufen?«
    »Ganz gut, hat sie gesagt. Eine schöne Feier. Die Mönche haben sich hinterher volllaufen lassen.

Weitere Kostenlose Bücher