Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt
Wahrscheinlich Royalisten, die sich unter Safrankutten verstecken, bis die Lage sich beruhigt hat. Aber sie kannten die Gesänge, und es hat sich niemand beschwert. Viele Freunde ihrer Mutter waren gekommen, ein paar Kollegen aus der Klinik. Phosy war auch da.«
»Irgendwelche Neuigkeiten?«
»Nicht über die Frau des Zahnarztes, nein. Eine Sackgasse, sagt er. Er hat die Blutprobe einem Mitarbeiter des schwedischen Forstprojektes übergeben. Der will sie mit nach Bangkok nehmen und dort untersuchen lassen. Ansonsten sitzen Dtui und Phosy einfach nur herum und warten auf neue Anweisungen. Ach ja, Richter Haeng hat sich erkundigt, warum ich immer noch in Pakxe weile.«
»Warum? Na, das versteht sich doch wohl von selbst. Der Fall ist weitaus verzwickter, als du dachtest.«
»Genau das habe ich Dtui auch gesagt. Es gebe unter Umständen weitere mittels handelsüblicher Haushaltsgeräte begangene Tötungsdelikte. Ich habe vorsichtshalber einen Mordversuch mit Hilfe eines Staubsaugers erwähnt. Wenn wir noch lange hierbleiben, muss ich mir allerdings eine plausiblere Erklärung einfallen lassen.«
»Viel haben wir ja bislang nicht herausgefunden.«
»Gar nichts, um genau zu sein.«
Ihre Reise nach Pakxe hatte keine neuen Erkenntnisse gezeitigt. Die Suche nach dem Briefumschlag gestaltete sich komplizierter als erwartet. Siri musste zu seinem Leidwesen feststellen, dass sämtliche Geschäfte in Pakxe mehr oder weniger dasselbe feilboten, nämlich Schmuggelware aus Thailand oder Vietnam. Nur wenige Läden verkauften keine Briefumschläge. Doch nicht ein einziger Händler erkannte Marke oder Modell. Was den Schluss nahelegte, dass der Absender den Umschlag vermutlich anderswo erstanden hatte als in Pakxe. Es war frustrierend. In Kriminalromanen gelangte der Detektiv normalerweise sehr viel schneller an sein Ziel.
Civilais Fahndung nach der Teufelsvagina war ähnlich ergebnislos verlaufen. Wie sich herausstellte, war seine Angst, erkannt zu werden, völlig unbegründet. Ohne seine große, schwarzgefasste Brille hatte er wenig Ähnlichkeit mit dem grinsenden Staatsmann auf den grobkörnigen Fotos in der Pasason Lao . Aber im Süden wurde anscheinend ohnehin nicht viel gelesen. Nirgends ein Kaffeehausgast, der versonnen in einer Zeitung blätterte, nirgends eine junge Sekretärin, die in der Mittagspause gierig Liebesromane verschlang. Für die Einwohner Pakxes war Civilai nichts weiter als ein sonderbarer alter Kauz, der sich wie ein Bauer auf Urlaub kleidete. Wie allen Außenstehenden war ihm nicht zu trauen. Eines Abends fragte er Siri: »Meinst du, wenn tatsächlich jemand etwas wüsste, würde er es einem Fremden verraten?«
Nein, sie wussten beide, dass sie nur ihre Zeit verschwendeten. Civilai machte sich daran, seine »Eingreiftruppe« aus vertrauenswürdigen Personen zusammenzustellen, und blieb immer öfter allein in seinem Zimmer. Obwohl die Spur des Zahnarztes von Tag zu Tag weiter verblasste, hatte Civilai offenbar Wichtigeres zu tun. Wenn Siri nach erfolgloser Detektivarbeit ins Hotel zurückkam, saß sein Freund zwischen Bergen von handschriftlichen Notizen. »Ich glaube, wir machen Fortschritte«, sagte er dann, ohne näher ins Detail zu gehen, und eine Zeitlang war Siri guter Hoffnung, dass es ihnen gelingen würde, einen schlagkräftigen Widerstand zu organisieren. Doch schon nach wenigen Tagen schien Civilai noch frustrierter und verzagter als zuvor. Die Frage, die er ihm eines Abends stellte, bestätigte Siris Vermutung, dass sie sich auf dem Holzweg befanden.
»Was ist eigentlich mit deinen – na, du weißt schon –, deinen anderen Freunden?«
Bislang hatte sich Civilai die »G«-Frage verkniffen. Offenbar waren sämtliche irdischen Kanäle versiegt, sonst hätte er das Thema wohl kaum angesprochen. Siris Zuversicht zerbröckelte wie ein Klumpen Flusssalz.
»Ich scheine spirituell impotent geworden sein«, gestand er.
»Ach was.«
»Ich weiß. Ich fühle mich wie ein sinkendes Schiff, von Mann und Maus verlassen. Ich habe seit über einer Woche keine Verbindung mehr ins Jenseits. Ich träume nicht einmal mehr.«
»Mist! Das ist wieder mal typisch! Immer, wenn man die Geister wirklich braucht, ist gerade keiner zur Stelle.«
Just in diesem Augenblick, wie auf eine Regieanweisung in einem schlechten Stück, klopfte es so laut an die Tür, dass die beiden alten Knaben zu Tode erschraken. Civilai griff hastig nach seiner dunklen Brille, und Siri ging lachend zur Tür. Das Klopfen wurde immer
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