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Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt

Titel: Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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gewesen. Es gab eine improvisierte Parade mit einem Orchester aus khen -Flöten, Gongs und Trommeln. Die Leute schmückten ihre Häuser und hissten die neue laotische Flagge. Die Feierlichkeiten währten bis in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages.
    Und damit fast so lange wie die Unabhängigkeit. Nach der verheerenden Niederlage gegen die Japaner – und prompter Wiederbewaffnung durch die Amerikaner – hatten die Franzosen ihre Truppen zusammengezogen und sich darangemacht, ihre Kolonie zurückzuerobern. Die Lao Issara, die Bewegung Freies Laos, wurde für ihren Mut mit fürchterlichen Repressalien bestraft. Es kam zu Massakern und einer regelrechten Hexenjagd, und Siri und Boua mussten fliehen. Sie verließen Champasak und kämpften mit einer Reihe verstreuter Widerstandsgruppen der Lao Issara, bis sie sich schließlich in Vietnam wiederfanden, wo eine ganz andere Art von Revolution im Gange war.
    Daeng war in Champasak geblieben und verkaufte tagsüber weiter ihre Nudeln. Nachts koordinierte sie geheime Lao-Issara-Operationen wider die französische Besatzung. Ihr Codename lautete Fleur-de-Lis, und bis zu dem Tag, als die Invasoren schließlich den Schwanz einzogen und Hals über Kopf nach Frankreich zurückkehrten, war ihre wahre Identität unentdeckt geblieben. Siri hielt sie für einen weitaus größeren Nationalhelden als viele der Händeschüttler und Redenschwinger in Vientiane und machte aus seiner Bewunderung für sie kein Hehl.
    Während sich die beiden alten Revolutionäre betranken, redeten sie über ihre Siege und Niederlagen und versuchten, sich an die Namen ihrer früheren Mitstreiter zu erinnern. Und als ihre Gesichter schließlich fast taub waren und Siri sich anschickte, in sein Hotel zurückzuwanken, überraschte Daeng ihn ein weiteres Mal mit ihrer enormen Findigkeit.
    »Ach, übrigens«, sagte sie. Siri hatte den Handlauf der Veranda umklammert und war mühsam aufgestanden. Nun zog Daeng sich an ihm hoch. Der Reiswhisky hatte die angenehme Nebenwirkung, dass sie ihre Arthritis kaum noch spürte. »Fast hätte ich das Wichtigste vergessen.«
    »Was könnte wichtiger sein, als die Lao Issara wiederaufleben zu lassen?«, fragte Siri.
    »Ich glaube, ich habe deine Vagina gefunden.«
    Sie waren in Kicherlaune, und es dauerte eine Weile, bis sie ihre jeweiligen Lachanfälle überwunden hatten.
    »Wenn du die Geschichte allerdings nicht ernst nimmst …«
    »Doch, doch«, lallte er. »Schon gut. Lass hören.«
    »Also, da ich mir eigentlich nicht vorstellen konnte, dass es sich um den Namen einer Person oder eines Ortes handelt, habe ich mich auf Naturphänomene konzentriert. Ich dachte, vielleicht ist es eine Felsformation oder eine Schlucht. Du weißt ja, wie die Leute in der Provinz so sind. Ich habe mich unter Ältesten und den Söhnen und Töchtern des Landes umgehört. Sie kannten sämtliche Heimatmythen und -legenden. Und zu meinem Erstaunen wusste ein alter Mann sofort, was ich meinte. Deine Teufelsvagina ist keine Felsformation. Sondern ein Baum.«
    Siri setzte sich wieder und riss dabei auch Daeng von den Füßen.
    »Das kann nicht dein Ernst sein.«
    »Doch«, sagte sie. Da sie wieder auf der Strohmatte saßen und die Flaschen noch an ihrem Platz standen, füllte sie zum x-ten Mal sein Glas und erzählte ihm die Legende.
    »Es geht um eine Khmer-Prinzessin. Wie es scheint, war sie schon im Mutterleib einem König – und Saufkumpan ihres Vaters – zur Frau versprochen worden. In Kneipen sind sicher schon üblere Abmachungen getroffen worden, auch wenn mir im Augenblick keine einfällt. Das Mädel wuchs zu einer echten Schönheit heran, und der Tag ihrer Vermählung nahte. Wie du aus eigener Anschauung weißt, hatte der jahrzehntelange Suff bei ihrem Verlobten natürlich seine Spuren hinterlassen: Er war inzwischen nicht nur fett und runzlig, sondern auch steinalt, und die Prinzessin war außer sich vor Kummer.«
    »Dann waren sie ja schon zwei.«
    »Was? Entweder du hörst jetzt zu, oder ich behalte die Pointe für mich. Die Prinzessin war selbstredend einzig, und in der Nacht vor der Hochzeit kletterte sie aus einem Palastfenster und floh in den Dschungel. Sie wusste, dass es nur eine Möglichkeit gab, ihre Jungfräulichkeit zu retten, darum riss sie sich tief im Wald die …«
    »Bitte nicht!«
    »Doch … heraus und warf sie in einen nahen Baum. Auf diese Weise konnte sie geschlechtslos und garantiert heiratsunfähig in den Palast zurückkehren. Als ihr Herr Papa das

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