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Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt

Titel: Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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Auslandsflüchtlinge von der Liste zu streichen. Es war eine Herkulesarbeit.
    Siri lehnte sich in seinem Korbsessel zurück, nippte an einem Glas Limettensaft und lauschte seinem Freund. Civilai hatte alles fest im Griff. Diese Rolle war ihm wie auf den Leib geschneidert: der Koordinator.
    »Du bist ein echter Meister deine Faches, Genosse«, sagte Siri.
    »Ich weiß.«
    Civilai widmete sich wieder seinen Papieren und bemerkte vermutlich gar nicht, dass Siri irgendwann aufstand und ging.
    Bevor er sich zur Hochzeit aufmachte, schaute der Doktor bei Daengs Nudelstand vorbei, bestellte 120 Portionen Hühnernudelsuppe und setzte sich mit einem Glas Reiswhisky und einem Flunsch allein an einen Tisch. Als Daeng klar wurde, dass es ihm vollkommen ernst war, trug sie den Fährgehilfen auf, sechs Hühnchen und frische Nudeln zu besorgen, und machte sich ans Werk. Dabei löcherte sie Siri in einem fort mit Fragen, und obwohl er ihr artig Rede und Antwort stand, entging ihr nicht, dass er zu Tode betrübt war.
    Schließlich standen zwei große Pappkartons mit einhundertundzwanzig Portionen Nudelsuppe in einem kleinen, zweirädrigen Ponywagen für Siri bereit, doch so einfach kam er Daeng nicht davon.
    »Wenn du mit diesem Gesicht bei einer Hochzeit aufkreuzt«, sagte sie, »ist das Brautpaar spätestens morgen früh wieder geschieden. Wo drückt der Schuh, alter Krieger?«
    Er starrte in sein volles Glas. »Erinnerst du dich an Somluk Boutavieng?«, fragte er und hob den Blick.
    »Nein. In welcher Einheit hat er denn gekämpft?«
    »Er war Fußballer. 1952 hat er für Laos vier Tore gegen Thailand geschossen. Er war ein Zauberer in Lederstiefeln. Er konnte sich im Alleingang durch eine Sechser-Abwehrkette dribbeln und mit einem Schuss das Netz zerfetzen. Ein Anblick für die Götter. Ich habe ihn zwei Mal spielen sehen, erst in Savannaketh und dann bei der Olympia-Qualifikation in Bangkok. Er verstauchte sich den Knöchel, konnte im Rückspiel nicht antreten, und wir verloren das Spiel.«
    »Und das hängt dir bis heute nach?«
    Siri lachte. »Nein, auch wenn ich eine Weile brauchte, um über diese Schmach hinwegzukommen. Ich musste nur gerade an Somluk denken. Als er 1975 nach Vientiane zog, habe ich ihn wiedergesehen. Weißt du, was er dort machte? Er fuhr eine samlor .«
    »Und?«
    »Die einstige Legende, der Mann, der Tausende junger Laoten inspiriert und beflügelt hatte, musste sich für ein paar Kip am Tag als Rikschachauffeur verdingen, um einigermaßen über die Runden zu kommen. Entwürdigend.«
    »Ich habe das dumpfe Gefühl, dass du in dieser Geschichte eine nicht unwesentliche Rolle spielst.«
    »Ich … du … all wir alten Fossilien, die wir am Tag der Patrioten durch die Straßen paradieren, unsere zerschlissenen Uniformen gespickt mit Orden und Medaillen.«
    »Verstehe.«
    »Wirklich? Dann sind wir ja schon zwei.«
    »Nein, mit deinem Selbstmitleid dürftest du ziemlich allein stehen. Aber ich habe auch eine Geschichte zu erzählen, und die ist wesentlich besser als deine. Von Zeit zu Zeit geht mir ein Mädchen zur Hand. Als sie hierherkam, war sie zehn. Sie hatte die Schule verlassen müssen, weil man die erste Klasse höchstens drei Mal wiederholen durfte. Alle waren sich einig, dass sie schwachsinnig war, und so landete sie auf der Straße und trieb sich jahrelang herum. Niemand schenkte ihr Beachtung. Sie war weiter nichts als ein liebes, nettes Mädel, das nichts zu tun hatte. Als sie hier aufkreuzte, ließ ich sie bedienen, gab ihr zu essen und etwas Frisches zum Anziehen. Sie kam wieder, jeden Tag. Ich sah ihr bei der Arbeit zu und merkte, wie viel Mühe sie sich gab, wenn sie die Saucen und Gewürze auf die Tische stellte und die Plastikdecken abwischte. Und da kam ich auf die Idee, ihr das Lesen beizubringen.
    Ich hatte noch nie jemandem das Lesen beigebracht, und sie war furchtbar schwer von Begriff. Sie brauchte geschlagene vier Wochen, um sich mit einem Buchstaben vertraut zu machen, und dann vergaß sie ihn gleich wieder. Aber wir machten weiter, ohne Eile: ein Buchstabe und dann noch einer und noch einer. Vor sechzehn Jahren haben wir angefangen, und letzte Woche hat sie ihr erstes Buch gelesen. Zugegeben, nur eine Grundschulfibel, aber ein Buch mit zwei Deckeln und zehn Seiten Text. Abends weinte sie sich die Augen aus, kriegte sich gar nicht mehr ein vor lauter Glück und verschlang es gleich zehn Mal hintereinander. Als die Sonne aufging, hatte sie sich endlich in den Schlaf gelesen.«
    »Wie

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