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Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt

Titel: Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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schön.«
    »Schön ist gar kein Ausdruck, Siri. Gut, es wird wohl nicht die Welt erschüttern. Und der Kleinen auch keine Stelle als Nachrichtensprecherin bei einem Propagandasender bescheren. Sie wird auch weiterhin Nudeln servieren und Tische abwischen. Aber innerlich hat sie sich verändert. Sie hat eine neue Leidenschaft für sich entdeckt, und ich habe sie ihr geschenkt. Ich. Ich ganz allein, und darauf bin ich mindestens so stolz wie auf meine Zeit im Widerstand. Und die Moral von der Geschicht? Du kannst natürlich aufgeben, aber ich würde dir raten, am Ball zu bleiben. Man misst seinen Erfolg nicht daran, ob man die Welt verändert hat, sondern an dem, was man in seinem unmittelbaren Umfeld hat bewirken können. Ist es wirklich so viel befriedigender, eine Armee anzuführen, die einen Krieg gewinnt, als einem vierjährigen Kind das Radfahren beizubringen? In unserem Alter«, sagte sie, »konzentriert man sich auf die kleinen Dinge und versucht, sie möglichst gut zu machen.«
    Als Siri schließlich, eingeklemmt zwischen den beiden riesigen Kartons, auf der Ladefläche des Ponywagens saß, spürte er immer noch Daengs Lippen auf seiner Wange und hörte sie flüstern: »Konzentriere dich auf die kleinen Dinge, und mach sie richtig.« Das sollte sein neues Mantra werden. Vergiss den Planeten, rette den Garten. Und er dachte an das, was sie gesagt hatte, als er auf den Karren geklettert war. Ihr seien Gerüchte zu Ohren gekommen. Die Lager in Thailand seien immer schon eine Brutstätte für Aufständische gewesen, ein Ausgangspunkt für Vorstöße auf laotisches Staatsgebiet, um Zwietracht zu säen und Propaganda zu streuen. Aber seit einer Woche sei plötzlich alles ruhig. Alles deute darauf hin, dass etwas Entscheidendes bevorstehe. Doch Siri war nur ein alter Arzt, der sich auf die kleinen Dinge konzentrieren, sie gut und richtig machen und den Garten retten wollte. Sollte Civilai sich um den Planeten kümmern. Siri gingen persönlichere Dinge durch den Kopf, zum Beispiel, dass Daeng ihn auf die Wange geküsst hatte.
    Als er im Dorf ankam, war das Fest bereits in vollem Gange. Frauen, alte Männer und Hunde, anscheinend allesamt betrunken, tanzten, hüpften und sprangen wie Spinnen auf einem heißen Stein. In der Haupthütte fand eine buddhistisch-animistische Zeremonie statt. Die Mönche waren über den Fluss eingeschmuggelt worden, und den Schamanen hatte man sich im Nachbardorf ausgeborgt. Ein solches Ereignis lockte jede Menge Geister aus ihren Löchern, und Siri spürte ihre Gegenwart. Im Schatten erspähte er den einen oder anderen Toten. Er erkannte sie auf den ersten Blick, auch wenn einige von ihnen in besserer Verfassung zu sein schienen als die Lebenden.
    In der Hütte hatten die Dorfbewohner heilige Fäden um Köpfe und Hände der Brautleute geschlungen und sangen und skandierten zusammen mit den Mönchen. Siri versuchte, sich unbemerkt einzuschleichen, wurde jedoch sofort entdeckt und auf einen Ehrenplatz vor dem safrangelb gewandeten Chor bugsiert. Einer der Mönche las aus einem heiligen Pali-Text. Der Schamane zupfte zwei ungesponnene Baumwollfäden von dem prachtvollen, phakhuan genannten Gesteck aus Blumen und Bananenblättern und verknüpfte die Seelen der jungen Liebenden. Weihrauchduft und der süßliche Geruch der Mückenspiralen verschmolzen in der warmen Luft. Draußen spielten traditionelle Holzblasinstrumente laotische Volkslieder.
    Siri lächelte in sich hinein. »Bedaure, Genossen Marx und Lenin. Aber das nenne ich eine richtige Hochzeit.«
    Siris Nudeln gesellten sich zu den Bergen von Fisch, Gemüse und Klebreis auf dem großen Gemeinschaftstisch und waren nach kaum einer halben Stunde restlos verputzt. Wie die meisten Gäste zwang man auch Siri, unzählige Gläser äußerst dubioser Spirituosen in sich hineinzuschütten. Wie in Laos üblich, musste jedes Glas auf einen Zug geleert werden, ohne Wenn und Aber. Irgendwann auf dem nicht allzu langen Weg zum Vollrausch schwante Siri, dass er seit seiner Ankunft in Pakxe die meiste Zeit betrunken gewesen war. Viele Menschen erlagen dem Irrglauben, der Alkohol ließe sie der Wirklichkeit entfliehen. Dabei war er nichts weiter als ein Versteck auf Zeit, und Siri wusste, dass er niemanden zum Narren halten konnte.
    Es war fast zehn, als er sich umsah und bemerkte, dass er am Flussufer saß, neben einem wunderschönen Mädchen aus dem Dorf. Sie hatte Augen, die selbst das kälteste Herz zum Schmelzen bringen konnten, und ein Lächeln,

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