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Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt

Titel: Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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vorsichtig daran und schüttelte den Kopf. Dann nahm er einen zweiten, etwas tieferen Atemzug. »Heureka. Wonach riecht das Ihrer Meinung nach, Inspektor?«
    Phosy schnüffelte. »Ich weiß nicht genau. Schwefel?«
    »Fast. Kupfersulfat, um genau zu sein. Ein weitverbreitetes Pestizid und für den Menschen obendrein hochgiftig. Es handelt sich offenbar um eine beträchtliche Dosis, andernfalls könnte ich es in meinem derzeitigen Zustand gar nicht riechen. Welchen Schluss ziehen Sie daraus, mein lieber Herr Gesetzeshüter?«
    »Dass der Absender ein heimtückischer Mörder war, der hoffte, dass der Blinde den Brief verspeisen und auf diese Weise aus dem Leben scheiden würde, ohne eine Spur zu hinterlassen?«
    »Phosy, Sie scheinen Ihre Arbeit nicht allzu ernst zu nehmen. Machen Sie mit Ihrer regen Fantasie einen Spaziergang über das weite Feld der Spionage.«
    »Siri, wie Sie wissen, habe ich meine gesamte Ausbildung im Nordosten unseres schönen Vaterlandes absolviert. Ich bin ein einfacher Klebreis-und-Stockfisch-Polizist. Ich habe mein Lebtag noch kein kriminaltechnisches Labor von innen gesehen. Bei der Lösung meiner Fälle verlasse ich mich voll und ganz auf altmodische Logik und meinen angeborenen Instinkt. Also kommen Sie mir nicht mit exotischen Gerüchen und diesem ganzen CIA -Hokuspokus.«
    »Wie Sie wollen. Dann würde ich sagen, wir haben es mit einer in unsichtbarer Tinte verfassten Geheimbotschaft zu tun.«
    Phosy zog eine Augenbraue hoch. »Und wie kommt ein greiser Feldscher wie Sie auf diese eigenartige Idee?«
    »Inspektor Phosy, ich darf Sie an Ihren Kollegen Maigret vom Pariser Palais de Justice erinnern. Während meines Frankreichaufenthaltes habe ich qua eifriger Lektüre des L’Œuvre regen Anteil an vielen seiner Fälle genommen. Im Unterschied zu uns hat Inspektor Maigret das große Glück, fiktiv zu sein, und braucht sich deshalb nicht mit allzu menschlichen Ärgernissen wie Schlendrian und Geldmangel herumzuschlagen. Und er kriegt den Täter jedes Mal. In einem Fall sandte ein Staatssekretär seiner Geliebten geheime Botschaften, die er mit unsichtbarer Tinte auf die Rückseite von Wäschereiquittungen schrieb, damit ihr Gatte keinen Verdacht schöpfte. Natürlich kam der Gehörnte dahinter und entledigte sich des gemeinen Lumpen, aber der springende Punkt an der Geschichte ist, dass Maigret nicht nur die Bestandteile der Tinte genauestens vermerkte, sondern auch, wie man sie wieder sichtbar machte. Da ich mich seit jeher für wissenschaftliche Fragen dieser Art interessiere, habe ich mir die entsprechenden Informationen gründlich eingeprägt und bewahre sie bis zum heutigen Tag in meinem hervorragenden Gedächtnis. Wenn es sich hierbei tatsächlich um eine Geheimbotschaft handelt, brauchen wir weiter nichts als Natriumkarbonat – gewöhnliches Waschsoda –, um sie zu entziffern.«
    »Ich bin beeindruckt. Und ich dachte, die Lektüre von Kriminalromanen sei bloße Zeitverschwendung.«
    »Sie würden sich wundern.«
    »Haben Sie welches?«
    »Waschsoda? Nicht bei mir. Aber in Herrn Geungs Besenkammer werden wir sicher fündig.« Siri verschwand im Lagerraum und kehrte kurz darauf mit einem großen Behälter zurück. »Das müsste es eigentlich sein.«
    »Wo steckt der gute Herr Geung überhaupt?«
    Siri machte sich daran, das Waschsoda in Wasser aufzulösen. »Ach ja. Ich habe Ihnen ja noch gar nicht von unseren jüngsten Abenteuern berichtet. Wir haben eine Menge nachzuholen. Vor gut vier Wochen hätten wir Geung beinahe an das Denguefieber verloren.«
    »Mist. Wie geht es ihm?«
    »Er wird schon wieder. Auch wenn er sich mit der Genesung reichlich Zeit lässt. Was allerdings nicht weiter verwunderlich ist, umschwirren ihn doch von morgens bis abends hübsche Krankenschwestern wie die berühmten Motten das Licht. Wäre ich Zyniker, würde ich sagen, er kostet sein Siechtum weidlich aus. In der Zwischenzeit muss ich sämtliche einfachen Arbeiten selbst erledigen, was mir wieder einmal anschaulich vor Augen geführt hat, dass es einfache Arbeiten nicht gibt.«
    Mit einem feinen Pinsel tupfte er die Lösung auf das Blatt. »Was sagt man dazu?« Eines nach dem anderen nahmen die Schriftzeichen auf dem Papier Gestalt an, langsam, gerade so, als hätte er sie aus einer Art Dornröschenschlaf erweckt. Trotzdem schienen sie keine Wörter zu bilden. Das Ganze sah eher nach einer Liste als nach einer Botschaft aus. Siri kannte die einzelnen Buchstaben aus dem Französischen, verstand jedoch

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