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Briefe in die chinesische Vergangenheit

Briefe in die chinesische Vergangenheit

Titel: Briefe in die chinesische Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Rosendorfer
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sogleich niederzulassen, und verschwand hinter den nächsten höheren Häusern.
    Hätte ich dieses Erlebnis ganz am Anfang meines Aufenthaltes gehabt, wäre ich zu Tode erschrocken. So aber, nachdem ich den fliegenden grauen oder silber-grauen Drachen erst nach vielen Erfahrungen mit den Phänomenen dieser Welt beobachtet habe, ergriff mich keine Furcht. Frau Pao-leng erklärte mir auch sogleich das Phänomen. Ganz in der Nähe, sagte sie, sei ein sehr großes Feld, das dafür eingerichtet sei, daß die fliegenden Eisendrachen landen und auch auffliegen könnten. Einige Tage später besuchten wir dann auch dieses Feld, und da sah ich diese Drachen stehen. Es gibt unzählige davon. Sie fliegen kreuz und quer durch die Lüfte in viele Gegenden und überwinden mit Leichtigkeit große Strecken. Es gibt sogar welche, die bis ins Reich der Mitte und wieder zurück fliegen. Sie brauchen dafür nicht mehr als vielleicht zwanzig Stunden.
    Die grauen Eisendrachen sind natürlich keine Drachen. Es sind Maschinen. So wie es hier eiserne Häuser gibt, die Passagiere durch die Stein-Straßen befördern, so gibt es mit Flügeln ausgestattete eiserne Häuser, die durch die Luft fliegen. Ich habe, wie wir da auf dem großen Drachenfeld waren, solche Maschinen landen und auffliegen sehen. Der Lärm, der dabei entsteht, ist unvorstellbar und übertönt sogar den ganzen Tumult, den die Großnasen ohnehin den ganzen Tag über machen. Es ist ein gegen die Erde dröhnendes Donnern, daß man meint, die Erde würde bersten. Aber die Erde hält es aus. Es ist erstaunlich, was die Erde alles aushält (noch!).
    Ein einziger solcher silbergrauer Drache kann hundert und noch mehr Passagiere befördern. Frau Pao-leng hat sich erboten, mir die Berechtigung zu so einer fliegenden Drachenfahrt zu kaufen. Sie sei, sagt sie, oft schon mit so einer Drachen-Maschine geflogen, es sei ganz ungefährlich. Sie erbot sich mitzufahren. Ich gestehe, daß mich das schon ein wenig reizt, aber andrerseits sagt der Große Weise vom Aprikosenhügel, daß es zur Pietät gehört, den von den Eltern ererbten Leib nicht leichtfertig in Gefahr zu bringen. So habe ich gesagt, ich wolle es mir überlegen; vielleicht später. Es ist dann nicht mehr die Rede darauf gekommen.
    Nun ist es aber natürlich so, daß die Passagiere dieser silbergrauen Drachen-Maschinen, da sie oft viele Stunden lang unterwegs sind, bedient und verpflegt werden müssen. Man kann ja, wenn man so durch die Luft fliegt, nicht ohne weiteres aussteigen und Rast machen. Also haben sie da alles mögliche zum Essen und zum Trinken dabei, und es ist fast wie in einem Speisehaus auf der Erde, daß Zofen und Dienerinnen die Passagiere betreuen. Das ist eine eigene Zunft, und Kleine Frau Chung ist eine solche Fliegende Servier-Zofe. Das ist ihr Beruf.
    Schon um zu verhindern, daß sie mich ausfragt, habe ich sehr viel gefragt. Sie erzählte, daß sie fast ständig mit so einem Fliegenden Eisen-Drachen unterwegs sei. Es sei für sie schon gar nichts Besonderes mehr. Unangenehm sei nur, wenn der Drache in der Luft Sprünge mache, was ab und an vorkomme. Dann müsse man sich sehr stark festhalten, und viele Passagiere begännen, sich zu erbrechen. Die Spuren davon wegzuwischen gehöre leider auch zu den Aufgaben der Fliegenden Servier-Zofe. Im Übrigen fliege sie aber so mit den Drachen von Stadt zu Stadt. Manchmal ruhe der Drache für zwei Tage oder drei, dann schaue sie sich die betreffende Stadt an. Jeden Monat einmal etwa sei sie so für einige Tage in Min-chen.
    Herr Yü-len-tzu, Kleine Frau Chung und ich verbrachten den Abend miteinander. Sie fragte nichts mehr. Die Leute – und nicht nur die Großnasen – reden alle lieber von sich, als daß sie anderen zuhören. Das ist ein Schutz für mich. Wir speisten in einem sehr feinen, ganz mit Holz ausgekleideten Speisehaus, das ziemlich ruhig war und »Der Schwarze Wald« hieß. Herr Yü-len-tzu war dort gut bekannt. Er ließ den Küchenchef zu sich bitten, der weißgekleidet zu uns trat, und bat ihn, für mich etwas zuzubereiten, in dem keine Rindsmilch enthalten ist. Ich wagte den Küchenchef zu fragen, ob etwa mit einem gedünsteten Hund zu rechnen sei; aber das mußte der Küchenchef bedauernd verneinen. Im Übrigen war das Essen hervorragend – mir ließ man Reh servieren – und die Getränke vorzüglich erquickend. Wir tranken nicht Mo-te Shang-dong, sondern ein Getränk, das in der gleichen Art perlend hergestellt wird, Do-pe-nong heißt und, wie mir

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