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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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zurückgewälzt, wo Dirlewanger sein Debüt gab und zur legendären Furie wurde. In diesen Stunden außer Rand und Band weiß nur ein Mann Bescheid, der nirgends zu finden ist: ein höherer Polizei- und SS-Offizier, der mit der ›Besichtigung‹ von Dirlewangers Waldlager beauftragt war und seiner Pflicht mit der ihm eigenen Geradlinigkeit nachgekommen ist.
    Wer Oberst Prinz kennt oder Beziehungen zu seinem Stab hat, bemüht sich, an das tatsächliche Geschehen heranzukommen. Jeder versucht es, der Tischnachbar wie der Schachpartner, der Lazarettchef wie der Standortälteste. Aber sie alle, vom kommandierenden General bis zum amtierenden Gauleiter, erhalten keine Verbindung.
    Der Draht ist gerissen.
    Der Polizeioberst mit dem sturen Nußknackerkopf bleibt unerreichbar. Selbst Kuriere werden abgewiesen; auch ranghöhere Besucher dringen nicht bis zu dem hageren Obersten vor, der gerade noch vor dem Kälteeinbruch sein Hauptquartier erreicht hat und seitdem mit seinen Leuten fast schulmäßig exerziert, was seiner Meinung nach deutsche Gründlichkeit ist.
    Er hat aus seinen zuverlässigen Mitarbeitern eine Sonderkommission von elf Polizeioffizieren zusammengestellt und in einem eigenen Nebenhaus untergebracht. Indem er sie einfach nebst Zeugen kasernierte, machte er seinen Laden restlos dicht. Jeder, der das Haus betreten oder verlassen will, muß einen Passierschein mit der persönlichen Unterschrift des Obersten Prinz vorweisen.
    Seit der Rückkehr vom Waldlager geht die Vernehmung pausenlos weiter Tag und Nacht, in drei Schichten; jeder Sachbearbeiter arbeitet zwei Stunden, nach dem System der Wachablösung. Jeder Mann, der an den Fall Dirlewanger gesetzt wird, ist in der Sache geschult, auf das Wesentliche gedrillt und auf Tempo geeicht. Die Resultate lassen sich fast mit der Stoppuhr berechnen. Erfolg vom Fließband, Fortschritt nach Stunden …
    Der Stab wird Beweise vorzeigen, die zum Himmel stinken, wird Verbrechen rekonstruieren, die ohne Beispiel sind. Zum ersten Mal empfindet der bärbeißige Polizeioffizier alter Schule eine Befriedigung darüber, einem System zu dienen, das er ablehnt. Ohne aus der Deckung zu müssen, ist er jetzt in der Lage, Dirlewangers Gönnern den Unrat gleich kübelweise über die Stiefel zu kippen.
    In Protokollen, die Oberst Prinz vorlegt, gibt es keine Vermutung, keine Andeutung, keine Auslegung. Nicht der geringste Spielraum bleibt offen. Für den Polizeioffizier existieren nur Fakten, Geschehnisse, Tatsachen, mehrmals bewiesen, unwiderlegbar … so daß es schließlich nur eine Konsequenz gibt: den Strick.
    Den Strick für Dirlewanger!
    Es ist später Nachmittag. Überall im Haus klappern noch die Schreibmaschinen. Die Ermittlungen kommen heute noch zum vorläufigen Abschluß. Endspurt. Die Mitarbeiter des Obersten schuften wie gedopte Rennpferde. Für die Umwelt ist das Telefon ausgehängt und der Fernschreiber abgeschaltet.
    Jede Verbindung nach draußen hat über Prinz zu gehen, in dessen Büro alle Fäden zusammenlaufen. Er liest umständlich Seite für Seite; in jeder Stunde wächst aus dem Wust der Ermittlungen greifbare Ungeheuerlichkeit und wirft ihre blutigen Schatten. In den überheizten Räumen stellen die Polizeioffiziere den Schlußbericht zusammen. So sehr sie ihr Beruf abhärtete, sie frösteln. Gegen die innere Kälte gibt es weder Pelzstiefel noch Ohrenschützer.
    Oberst Prinz sieht unwillig auf, betrachtet den vor ihm stehenden Ordonnanzoffizier.
    »Was gibt's?« fragt er.
    »Meldung aus Berlin …«, entgegnet der Mann, »Dirlewanger wurde dort gesehen …«
    »Von mir aus«, knurrt der Oberst. Er lächelt knapp. Nur die Kerben um seinen Mund werden tiefer, seine Augen etwas größer. Natürlich versucht der Bursche zu einem Gegenschlag auszuholen, wird er seine Freunde beim Reichssicherheitshauptamt mobilisieren, wird versuchen, meinem Bericht zuvorzukommen.
    Jetzt lächelt Prinz deutlich. Das Dossier Dirlewanger, weiß er, vertrüge noch jede Abschwächung, ohne an Wirkung zu verlieren. Er ließ es nicht nur nach den Gesichtspunkten des Strafrechts zusammenstellen, sondern auch psychologisch auf Himmlers fahle Denkart zuschneiden, unter besonderer Berücksichtigung von Gehorsam, Ordenskult und Rassenwahn …
    Aumeier, Dirlewangers Hausschlächter, der unfreiwillig den Stein des Anstoßes ins Rollen brachte, ist nur noch ein Wrack, fertig, weich wie Wachs, ohne Anwendung von Gewalt. Sein Geständnis ist auf Platte aufgenommen. Seine Fingerabdrücke

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