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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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hatte.
    Karen blickte sich auf der Straße ängstlich um und wirkte erleichtert, als sie von ihm nichts sah. Da stieg sie in den Wagen, der rasch abfuhr.
    Er zündete sich eine Zigarette an, bevor er sich auf dem nächsten Polizeirevier stellte. Er zitterte vor sinnlosem Haß gegen den Staatsanwalt. Zuerst wollte er in seine Wohnung gehen, um mit ihm abzurechnen. Da lichtete sich der Nebel in seinem Kopf, und er überlegte, daß es wichtiger sei, etwas für Karen zu tun, als sich zu rächen.
    Er erinnerte sich, daß ihre Mutter Schwedin war. Er faßte den Entschluß. Es war ein Wahnsinn, als er, der Illegale, sich am nächsten Morgen im Gebäude der schwedischen Botschaft in Berlin meldete …
    Er stand wieder am Portal und kam nicht weiter. Er war wie gelähmt …
    Einer rüttelt ihn jetzt an der Schulter, bis er begreift, daß er nicht in Berlin ist, sondern im Waldlager bei Dirlewanger, dessen Haufen in der vergangenen Nacht versucht hatte zu meutern …
    Der Morgen ist unwirsch. Auf den schmutzigen Schnee fallen trübe Nebelwände. Die B-Soldaten stürzen aus den Unterkünften, als wollten sie durch doppelten Pflichteifer den Aufruhr der vergangenen Nacht wieder gutmachen. Noch leben sie in dem Glauben, daß Dirlewanger verhaftet worden sei, und erstarren, als sie den Standartenführer am Appellplatz sehen: hager, fahl, mit hohlem Blick; ungesunde Gesichtshaut überzieht die Knochen. Und dieser Totenschädel lebt und feixt …
    Sie ducken sich vor dem Strafgericht. Da geschieht das Unerwartete: Dirlewanger geht einfach weg, stapft gemütlich zu seinem Privatflugplatz und besteigt den Fieseler Storch. Drei Minuten später zieht er über ihren Köpfen eine Schleife. Ein Ruck der Erleichterung geht durch die angetretene Brigade. Wenigstens ist der Alte außer Schußweite. Auch Weise fehlt. Die einen behaupten, er liege betrunken im Bett; andere Gerüchte besagen, daß er in das Lager II zu den russischen Hiwis gefahren sei …
    Dann kommt die nächste Enttäuschung für den Lumpenhaufen: Oberst Prinz zieht mit seinem Stab ab. Ohne Erklärung. Scheinbar auch ohne Ergebnis. Die wenigsten wissen, daß er als Handgepäck der Anklage zwei Zeugen mit sich führt: Kleinschmidt, dem er die Freiheit versprach, und Aumeier, alias Haubach, dem der Strick winkt. Prinz hat die wichtigsten Aussagen sichergestellt.
    Wiederum eine halbe Stunde später zieht auch die Einsatzkompanie der Polizei ab, die in der Nacht die Ordnung wiederhergestellt hatte.
    Dann wird es gespenstisch. Kein Ausbilder sagt ein Wort. Kein Mann vom Stammpersonal kommt auf die Revolte in der vergangenen Nacht zu sprechen.
    Sie alle spüren die bleierne Lähmung, unter der das ganze Lager lebt.
    Sie alle wissen, daß es nur die Ruhe vor dem Sturm ist.
    Wenn SS-Standartenführer Oskar Dirlewanger zurückkommen sollte, dann werden seine Männer eine Hölle erleben, gegen die alles Bisherige harmlos war …
    Wenn …
    Der russische Winter des Jahres 1943, der seinen frostklammen Griff bereits gelockert hatte, schlägt in einem plötzlichen Rückfall noch einmal hart zu. Die Quecksilbersäule im Thermometer wuchtet nach unten wie ein gerissenes Seil: acht Grad, zehn Grad, vierzehn Grad minus. Eisiger Wind weht über das riesige Land, von Stalingrad bis Kiew. Vorne, an der Front, erzwingt der schneidende Frost eine kurze Kampfpause. Im Hinterland drängen sich die Menschen um den Ofen. Wer kann, bleibt zu Hause; wer hinaus muß, vermummt sich und wirkt dann unförmig wie eine gepanzerte Schildkröte.
    Die Kälte kann das Lauffeuer nicht stoppen, das durch jede Mauer dringt, durch alle Stellungen geistert, sich in sämtlichen Dienststellen breitmacht und noch bei den entferntesten Stäben aufgefangen wird. Zuerst wird das Gerücht nur geflüstert, dann geraunt und zuletzt offen ausgesprochen: auf der Straße, in den Fahrzeugen, auf den Appellplätzen, am Telefon.
    Dirlewanger ist tot!
    Standrechtlich erschossen.
    Auf Befehl der SS!
    Ein höherer Kommandeur der Wehrmacht behauptet beim Mittagstisch vor allen Offizieren, daß die verhaßte Sonderbrigade der Mörder, Diebe und Einbrecher umgehend aufgelöst werde. Vorübergehend überschattet die Befriedigung sogar die politischen Unterschiede zwischen den Aktivisten, den Opportunisten, den Mitläufern und ihren Gegnern. Eine klassenlose Besatzungsgesellschaft freut sich darüber, daß die Laus im eigenen Pelz den Weg des Ungeziefers gegangen ist …
    Die Lawine der Geschwätzigkeit hat sich schon bis Polen

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