Brigade Dirlewanger
entgegen, das nur er kennt. Er weiß, daß draußen der Kater kommt, bevor noch der Rausch richtig zu Ende ist. Und er hat dafür zu sorgen, daß der erste Zug glatt durch die Wirren kommt. Weder möchte Vonwegh im Bild seiner Leute als Parteigänger Dirlewangers gelten noch als ein Schwächling, der es nicht wagt, sich gegen ihn zu stellen.
So stemmen sich die Männer der Baracke VIII zum ersten Mal gegen die selbstverständliche Autorität, die von Paul Vonwegh ausgeht.
Gruhnke ist der erste, der aufmuckt. »Die anderen halten Abrechnung«, sagt er, »und wir sitzen hier vor lauter Feigheit und pennen.« Er geht auf die Türe zu.
»Bleib«, versetzt der Zugführer kalt.
»Du kannst mich!« schreit der Berliner und geht weiter.
Paul Vonwegh wechselt seine Taktik: »Willst du nach Hause kommen oder nicht?«
»Ich will diese Scheißkerle zur Sau machen, sonst nichts!« brüllt der Berliner aufgebracht. Sein Gesicht verzerrt sich zu tobsüchtigem Hass. »Diesen Weise will ich mir vornehmen … und den …«
»Das machen schon die anderen«, erwidert Paul Vonwegh.
»Ich muß dabei sein!« entgegnet Gruhnke. »Dafür habe ich ein Jahr durchgehalten … Tag und Nacht an nichts anderes gedacht, als …«
Der Zugführer stellt sich in den Türrahmen. Es dauert ein paar Sekunden, dann stellen sich vier, fünf B-Soldaten, darunter Petrat, hinter Gruhnke.
Vonweghs Fäuste wirbeln herum, schlagen gezielt auf die Männer ein. Der kleine Kordt kommt ihm zu Hilfe. Kirchwein zögert. Der rundliche Müller mit der Nickelbrille stellt sich unschlüssig an die Seite des Zugführers. Aus dem Hintergrund schiebt sich Kortetzky, der von seiner Verwunderung noch mitgenommene Gorilla, als Verstärkung heran.
In diesem Moment kommen Pfiffe, Kommandos. Der Lärm verstummt. Der Aufstand ist auf dem Rückzug.
Oberst Prinz hat die am Lagerrand stehende Polizeikompanie einrücken lassen. Gruhnke und seine Kumpane merken es erschrocken.
»Jetzt kannst du uns ja ans Messer liefern«, schnaubt der Berliner.
»Idiot«, versetzt Vonwegh. »Nun hört mal gut zu …«, wendet er sich an alle, »bei uns hat es keine Disziplinlosigkeit gegeben … Der ganze Zug ist auf der Bude geblieben … Keiner hat versucht, an der Meuterei teilzunehmen … Ist das klar?«
Sie rufen alle zustimmend durcheinander und sehen sich in der nächsten Sekunde betroffen an.
Was nützt es, wenn alle dichthalten und ein ›Horchgerät‹ schwätzt?
»Ich kenne unseren Spitzel«, fährt Vonwegh fort, »und ich warne ihn! … In meinem Zug wird nicht gemeutert und nicht denunziert … verstanden?«
Im ersten Moment halten sie es für einen Bluff, dann für Vermutung. Keiner der Männer des ersten Zugs nimmt ernsthaft an, daß Vonwegh tatsächlich das ›Horchgerät‹ kennt … und auch mit ihm seine eigenen Pläne verfolgt.
»Du kennst das Schwein?« fragt Gruhnke lauernd.
Der Zugführer nickt.
»Dann nenn ihn doch!«
Während draußen die B-Soldaten in die Baracken zurückgetrieben werden und die Ordnung im Waldlager wiederhergestellt wird, kommt es in der Baracke VIII zum ersten menschlichen Kontakt.
»Wir wollen doch alle hier durchkommen, oder?« fragt der Zugführer. »Hast du eine Frau?« wendet er sich an Müller.
»Ja«, antwortet der Mann mit der Nickelbrille leise.
»Und du?« dreht sich Vonwegh zu Kordt um.
»Eine Mutter«, entgegnet der Junge.
»Ich auch«, ruft Kirchwein dazwischen.
»Meine Olle hat sich scheiden lassen«, wirft Petrat ein.
Und Kortetzky fragt aus dem Hintergrund: »Meinste … daß wir noch mal zu Muttern kommen?«
»Vielleicht«, erwidert der Zugführer ruhig, »wir wollen's doch versuchen, oder?« Er spürt, daß er seine Leute wieder fest in der Hand hat.
Draußen ist es jetzt ganz still. Die ersten ›Horchgeräte‹ werden sich in die Datscha schleichen und ihre Kameraden melden. Vonwegh ist sicher, daß der Spitzel seines Zuges heute nicht funktioniert. Er hat ihn eingeschüchtert.
Paul Vonwegh haut sich müde auf seinen Strohsack. Das Licht brennt noch, aber die meisten schlafen schon. Gruhnke tritt an den Zugführer heran.
»Ich war ein Idiot«, sagt er, »kommt nicht wieder vor … Verlass dich druff …«
»Schon gut«, antwortet Vonwegh.
Noch einer kommt auf ihn zu. Kordt, der Junge. »Sagen Sie mal«, beginnt er und wird rot, weil er den Zugführer nicht duzt, »haben Sie eigentlich eine Frau, oder so was?«
Vonwegh schüttelt unwillig den Kopf.
»Gar niemand?« fragt Kordt fast
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