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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Zuges mit der niederen Stirn, den wulstigen Lippen und den Druckknopfaugen als steten Schatten hinter Vonwegh sieht, weiß, daß er jeden in Stücke reißen wird, der ihn bedroht.
    »Du bringst es hier noch weit …«, sagt Petrat mit gefletschten Zähnen zu seinem Zugführer. »Du wirst hier noch Offizier … oder so was …«
    Paul Vonwegh wehrt ab.
    »Scheiß' auf Offizier«, knurrt der Verbrecher aus Ostpreußen, »aber dir gönn' ich's … auch wenn du uns dann nicht mehr kennst …«
    »Quatsch!« entgegnet der Zugführer.
    Müller schiebt die Karten weg.
    »Morgen kommt der erste Transport von den Neuen …«, sagt er. Er war tagsüber auf der Schreibstube gewesen.
    Mindestens tausend Mann sollten auf einmal die Sonderbrigade verstärken. Wieder purzeln Gerüchte durcheinander: Ein Neffe Himmlers sollte bei den neuen ›Dirlewangers‹ sein, ein Olympia-Sieger mit Goldmedaille, ein degradierter SS-General, ein berühmter Herrenreiter und weiß Gott wer alles …
    »Und …«, fährt der rundliche Müller unter der vorgehaltenen Hand fort, »diesmal sind ganz tolle Burschen dabei …« Er reicht dem zerstreuten Vonwegh die Zigarettenkippe und setzt wie ein Verschwörer hinzu: »Politische … stellt euch vor …«
    Der Zugführer vergißt, den Rauch auszublasen. Das Wort trifft ihn wie ein Schlag. Politische? denkt er und muß sich gewaltsam zusammennehmen, um keine Reaktion zu zeigen. Die Gemeinheit traut er ihnen zu. Aber Vonwegh kann nicht glauben, daß sie wagen, ihre Gegner als ihre Werkzeuge zu benutzen.
    Von draußen kommen hastige Schritte. Gruhnke, der Kerl, der nie die Schnauze halten kann, reißt die Tür auf und kugelt fast in den Raum. Rotgeränderte Augen, Schnapsfahne schon auf fast fünf Meter. »Ha«, brüllt er, »Kumpel, auf zur Siegesfeier!« Er drückt dem sofort zugreifenden Gorilla eine halbvolle Wodkaflasche in die Hände mit Spatenformat. Sie alle starren ihn an. »Sauft, Kinder!« schreit der Berliner. »Ick hab' 'ne Nachricht … Det ist Hochzeit, Geburtstag und Kindstaufe in einem!«
    Gruhnke sieht, wie sie ungeduldig an der Flasche hängen, und zieht eine zweite aus der Tasche. »Hier …«, sagt er und gibt sie Petrat. »Hab' meinen großen Tach heute … Wißt ihr, warum?«
    Vonwegh tritt wie zufällig an den Berliner heran, betrachtet ihn scharf und vergeblich. Er hat Macht über Menschen, aber nicht über Alkohol.
    »Die Sau ist hin!« brüllt der Berliner. »Uffgehangen! … Hinüber!«
    »Ruhe!« donnert ihn der Zugführer an.
    Petrat grinst. Kirchwein stützt sich mit beiden Händen schwer auf den Tisch. Der Gorilla lacht, daß ihm die Tränen aus den kleinen Augen kullern. Kordt hat den Blick eines Kindes unter dem Weihnachtsbaum. Müller, der frühere Buchhalter, sieht aus, als ob er ein Dankgebet sprechen wollte. Selbst Paul Vonwegh kann nicht verbergen, daß er neugierig ist.
    »Hin ist hin!« schreit Gruhnke weiter. »Alle wissen sie es draußen … Keen Mensch sabbert von wat anderem …«
    »Sie sind blau«, fährt ihn Vonwegh an, »gehen Sie in die Klappe!«
    Gruhnke lacht mit dem Eigensinn des Trunkenen. »Hast ja ganz recht, Kumpel … sonst … Aber Dirlewanger ist hinüber … kapierste? … Die Sau ist so tot wie 'n Schwein am Haken … verstanden?«
    Der Zugführer weiß, daß er gegen den Freudentaumel plus Schnaps nicht ankommt. Hoffentlich hat der Kerl keine dritte Flasche, überlegt er, während er sich müde auf seinen Strohsack haut. Was kann er tun? Abwarten, bis sie den Wodka hinter sich haben, und dabei nach draußen abdichten …
    Vom Hintergrund aus beobachtet Paul Vonwegh seine Leute, stellt erleichtert fest, daß Gruhnke der Schnaps ausgeht. Scheinbar dösend, hat er scharf aufgepaßt. Es ist ihm nichts entgangen. Keiner hat den Raum verlassen, bis jetzt.
    Endlich sind sie still. Endlich ist das Licht aus. Es ist finster, aber der Zugführer glaubt zu sehen. Es sind gar nicht die Augen, denkt er, es sind die Ohren. Er spürt, daß er näher ans Ziel kommt. Politische Gegner stecken sie in diesen Lumpenhaufen? überlegt er. Mit Verbrechern zusammen? Er schiebt die Gedanken weg, bis er sich mit straffem Lächeln daran erinnert, daß er schließlich selbst der Präzedenzfall ist: er, Paul Vonwegh, zu dessen politischen Gründen, das braune System zu hassen, ein sehr persönlicher kommt …
    Damals …
    Karen …
    Die Nacht, in der sie verhaftet worden war, hatte für Paul Vonwegh nie ein Ende genommen. In diesen Stunden wollte

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