Brigade Dirlewanger
Dirlewanger dreht sich zum Spieß um. »Für jeden Mann eine Armbanduhr … und ein Huhn … Haben wir genügend?«
»Jawohl, Standartenführer«, versetzt Müller-Würzbach diensteifrig wie immer.
»So erhält jeder seinen Lohn!« kommentiert Dirlewanger. Dann sagt er zu Vonwegh: »Mit Ihnen spreche ich später noch … Sie melden sich heute Abend im Schloß!«
Dann geht der Standartenführer auf die Datscha zu. Weise will ihm folgen. Aber er wartet noch ab, bis Müller-Würzbach die Neuen auf die einzelnen Züge verteilt hat. Er zündet sich eine Zigarette an, beobachtet Vonwegh, folgt seiner Blickrichtung, tritt von der anderen Seite an den Zugführer der Baracke VIII heran. »Na Sie …«, sagt er.
Vonwegh steht mustergültig stramm.
Der Oberscharführer winkt ab. »Stehen Sie bequem …«, sagt er gönnerhaft. »Sie gucken wie ein hungriger Wolf …« Er deutet auf Brillmann. »Kennen Sie den?«
»Jawohl, Oberscharführer«, antwortet Vonwegh sofort.
»Hm«, versetzt Weise. »Alte Sache?«
»Jawohl, Oberscharführer«, entgegnet der Zugführer zum zweiten Mal.
»Den schenk' ich Ihnen …«, lacht Weise, »wegen guter Führung … Und nun haun Sie ab!«
Vonwegh beobachtet, wie Weise auf den Spieß zugeht und Müller-Würzbach dann etwas notiert. Herzlich willkommen, denkt er. Sein Mund zuckt stumm, was er einen Nachmittag lang geübt hatte …
Die Siegesfeier im Schloß ist vergleichsweise verhalten. Vielleicht ist Dirlewanger noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Genau weiß er es selbst nicht. Himmler hat begriffen, daß Oberst Prinz verdammt gelegen für den Standartenführer der Sonderbrigade umgekommen ist. Mehr auch nicht.
Beim Abendtisch sitzt der Standartenführer wieder am Kopfende, genießt Lieblingsschnulze und Essen und fragt nach dem weiblichen Tross.
»Soll ich sie herkommen lassen?« fragt Müller-Würzbach.
»Später«, antwortet Dirlewanger. »Paßt auf!« ruft er dann den anderen zu. »Wir müssen zunächst kurz treten … mit allem … Kapiert? … Daß dieser Prinz umgelegt worden ist, schadet uns sehr …« Er lächelt schief.
Oscha Weise nickt ihm zu. Sie haben sich verstanden.
»Also: Exakter Dienstbetrieb … keine Hinrichtung vorläufig … keine Todesfälle, Herrschaften … Prügelstrafen nur nach Protokoll! … Im übrigen …«, wendet sich Dirlewanger an den Spieß, »bleibt bei solchen Geschichten immer etwas hängen …«
Sie nicken.
»Partisanentätigkeit festgestellt?« fragt der Standartenführer Müller-Würzbach.
»Ja«, erwidert der Spieß, »zwei Eisenbahnanschläge … im Planquadrat 13 … wie weggeweht, diese Burschen …«
»Wie die Täter von Minsk …« Dirlewanger lächelt anzüglich.
In Minsk wurde festgestellt, daß der Überfall auf das Polizeigelände einwandfrei von russischen Partisanen verübt wurde, die nach einem minuziös ausgearbeiteten Plan vorgingen, geführt von Männern, die gut deutsch sprachen. Auch für die Flucht hat man in Minsk eine Theorie parat: Die Russen sollen nach der Schießerei mit der Pioniereinheit deutsche Uniformen getragen haben und im Durcheinander unbehelligt als ihre eigenen Verfolger aufgetreten sein.
»Wie dem auch sei«, stellt Dirlewanger abschließend fest, »es wirft kein gutes Licht auf uns …« Er dreht sich zu Oscha Weise um. »Jetzt brauche ich Schnaps … und dann …« Seine Backenknochen treten leicht vor. »Einen Sieg … einen echten! … Und was für einen!«
»Wird gemacht, Standartenführer«, sagt der Oberscharführer.
Baracke VIII bei der Freizeitgestaltung. Vielleicht bekommen die B-Soldaten die Armbanduhren wirklich oder wenigstens das Huhn. Wichtiger ist die lobende Erwähnung durch Dirlewanger. Das hält ihnen für einige Zeit die schlimmsten Schinder vom Leib.
Während die Männer noch den verrückten Tag kommentieren, melden sich schüchtern die vier Neuen in der Baracke des ersten Zugs.
Paul Vonwegh sieht sie durch das Fenster und lächelt. »Nur nicht drängeln«, sagt er und winkt den Gorilla heran. Er deutet auf Brillmann. »Den Teigaffen als letzten … Und jetzt macht mir mal eine Ecke frei … zur Begrüßungsansprache …«
Sie betrachten ihn verwundert. So kennen sie ihn nicht, aufgezogen wie eine Grammophonplatte. Das ist doch das Seltsame bei Vonwegh: Nie zeigt er Freude, nie Depression, nie Hoffnung, nie Angst.
Es ist immer lustig, wenn Neue kommen, die mit Dirlewangers Sitten und Gebräuchen noch nicht vertraut sind. Der
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