Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
Vom Netzwerk:
Brillmann, der gehorsame Musterschüler, greift zu, um mit klammen Händen seinen eigenen Untergang freizulegen …
    Die Nacht, die sich über die gequälte Stadt senkt, kennt keine Ruhe, keine Würde, keinen Schlaf und keine Gnade. Flackrige Brände verzerren Warschaus waidwundes, todtrauriges Gesicht, das Antlitz einer Stadt, in dem die Vernichtung lebt und die Hoffnung liegt. Warschau kämpft bis zum Untergang.
    Wo bleibt die Rote Armee?
    Die Schicksalsfrage geistert durch die geschlagene Stadt, von Loch zu Loch, von Keller zu Keller, mit der Inbrunst eines Gebets, mit dem Hass der Realität. Hat General Bor-Komorowski zu früh losgeschlagen? Sind die sowjetischen Verbände in der nördlichen Vorstadt Praha zu schwach, um in den Warschauer Freiheitskampf einzugreifen? Oder dämpft die fast schon historische Abneigung zwischen Russen und Polen die Kampflust der Sowjets? Der Aufstand vom 1. August 1944 wurde vorübergehend aus nationalen und militärischen Zellen gebildet. Hat Stalin der Roten Armee befohlen, wie später behauptet wird, Gewehr bei Fuß zu stehen, um mit fremder Hand Warschaus nationale Intelligenz ausrotten zu lassen, aus der diabolischen Rechnung heraus, daß die Rebellen von heute die Partisanen von morgen sein werden, wenn der rote Diktator die kommunistische Gleichschaltung befiehlt?
    Niemand weiß es zu dieser Stunde. Verwundete werden versorgt, Munition ergänzt, Stellungen geräumt und andere ausgebaut. Die Waffenruhe ist trügerisch und oberflächlich. Der Aufstand funkt verzweifelte Hilferufe in alle Welt hinaus. Die freie Welt hält den Atem an, mehr pflegt sie in solchen Schicksalsstunden nicht zu tun.
    Für die Sonderbrigade Dirlewanger ist die letzte Stellung zugleich das Hauptquartier. Jetzt erst zählt man die Verluste. Sie sind ungeheuerlich. Aber der Nachschub steht bereit. Eben hat der Spieß Müller-Würzbach, der mit seinem Tross am westlichen Stadtrand steht, ein paar hundert neue B-Soldaten nach vorne schaffen lassen: Männer ohne Waffen, Uniformierte ohne Ausbildung.
    »Kommen direkt aus den Strafanstalten und Lagern«, kommentiert der Adjutant, »die wissen nicht mal, wo bei einem Gewehr vorne und hinten ist … Sollen wir sie nicht doch erst …«
    »Quatsch!« unterbricht ihn SS-Oberführer Dirlewanger. »Die sollen mit dem Kolben dreinschlagen!« Er lacht und grinst.
    Die Nacht dauert ihm zu lange. Der Schnaps schmeckt ihm nicht. Er ist gereizt und aufgebracht. Er hat einen Spähtrupp nach vorne geschickt, um einen Überrumpelungsangriff zu erkunden. Die zurückkommenden B-Soldaten melden, daß es aussichtslos sei durchzubrechen. Sowie die Brigade zum neuen Sturm antritt, reißen Scheinwerfer Löcher in die Nacht und liefern die Festbeleuchtung zum Preisschießen.
    Dirlewanger flucht und wartet. An Artillerie ist nicht zu denken. Die Unterstützung aus der Luft ist graue Theorie. Irgendwo stehen noch ein paar veraltete deutsche Panzer. Ihre Unterstützung ist der Sonderbrigade zugesichert worden. Aber sie kommen nicht.
    Der Gefechtslärm lebt auf und flaut ab. Der Tod genehmigt sich wieder eine Schnaufpause.
    Ganz in der Nähe gellt ein Hilferuf. Eine Frau schreit. Es ist so zur Übung geworden, daß Dirlewanger schon kaum mehr hinhört. Ein paar Tiere haben sich auf eine Polin gestürzt. Jede andere Armee der Welt würde sie unverzüglich niederschießen, hier gab sie Zuchthäuslern Vollmacht. Es ist die Münze, in der den B-Soldaten der Wehrsold bezahlt wird.
    Der SS-Oberführer gähnt. Er steht auf, um sich die Beine zu vertreten. Er geht auf die Ruine zu, aus der die Schreie kommen. Er sieht die Burschen, die die Wimmernde an sich reißen. Er verscheucht sie mit ein paar Fußtritten, betrachtet die Gehetzte.
    Sie ist jung und schön, obwohl das Grauen ihr Gesicht entstellt. Sie heißt Johanna Krynsky, ist Ärztin, hat sich in einem Keller versteckt und war von blutgierigen Dirlewangers aufgespürt worden. Sie weiß nicht, welches Scheusal sie gerade gerettet hat. »Ich danke Ihnen«, sagt sie zu dem Chef der Sonderbrigade in deutscher Sprache.
    Dirlewanger betrachtet sie interessiert. »Sie sprechen Deutsch?« fragt er.
    »Ja«, antwortet die Polin. »Ich habe in Leipzig und München Medizin studiert.«
    »Tasse Kaffee?« fragt der SS-Oberführer gönnerhaft.
    Sie nickt dankbar. Nur langsam weicht aus ihrem Gesicht die Erstarrung. Dirlewanger nimmt sie zu seinem Gefechtsstand mit. Seine Suite haut die Hacken zusammen und grinst. Was sie denken, steht deutlich in

Weitere Kostenlose Bücher