Brigade Dirlewanger
fragt Paul Vonwegh kalt.
»Jawohl«, steht der Mann stramm.
Der Kompaniechef betrachtet ihn lange, ausdruckslos. Niemand sieht ihm an, was in seinem Bewußtsein vor sich geht, keiner bemerkt den Kampf, den er mit sich abzumachen hat, mit sich selbst und sonst keinem, niemand erkennt die Versuchung, die ihn lockt, und niemand spürt den Hass, der noch in jeder Pore lebt.
»Ja«, sagt Paul Vonwegh, »das wäre also der Abschied …« Er tritt ganz dicht an den Bindestrich heran. Er sieht, wie der Mann zusammensackt. Er spürt die ganze Erbärmlichkeit. Er merkt, wie sich der Rest von Persönlichkeit in Brillmanns Grauen auflöst.
»Sie wollten mich umlegen«, sagt Vonwegh, »nicht einmal das haben Sie geschafft, und jetzt bin ich dran …«
»Ja … wohl«, lallt der Bindestrich.
»Sehen Sie, meine Methode ist doch sicherer als Ihre …«
»Nein!« heult der Mann. Jetzt ist es aus. Er fällt um wie ein Sack. Aber er rappelt sich wieder hoch. Er liegt auf den Knien, breitet die Arme aus. So hündisch bettelte selbst hier noch keiner.
Die anderen umstehen ihn im Halbkreis. Vonwegh nickt, als hätte er es nicht anders erwartet. »Sie haben mir ein paar nachdenkliche Worte gesagt«, fährt er fort. »Sie meinten – nicht ganz zu Unrecht –, daß Ihr Dienst bei der Sonderbrigade später ein Alibi für Sie sein könnte, nicht wahr? … Haben Sie nicht behauptet, daß der Krieg verloren ist?«
»Ja … ja … wohl …«, röchelt der Bindestrich am Boden. Er winselt weinerlich.
Kortetzky haut ihm mit dem Absatz ins Kreuz. Brillmann fällt mit dem Gesicht auf die Erde.
»Lassen Sie das, Gorilla!« befiehlt Vonwegh scharf. »Wir warten alle auf morgen«, setzt er dann hinzu, »alle … jeder einzelne, gleichgültig, was er hinter sich hat … Stehen Sie auf, Sie Feigling!«
Brillmann zögert. Die anderen reißen ihn hoch. Er schwankt wie eine Vogelscheuche im Wind. Aber jetzt steht er stramm, wenn auch nur aus Angst.
»Ob wir hier nun Mörder sind oder Politische«, fährt Vonwegh fort und spricht jetzt laut, denn er hat sich endgültig frei gemacht und den Kampf gegen sich selbst gewonnen, »wir wollen nicht, daß sich so ein Kerl wie Sie … dereinst auf uns berufen kann … Verstehen Sie?«
»Nein«, würgt Wulf-Dieter Brillmann hervor. Die Silbe hat nichts mehr von einer Stimme an sich.
»Meine Methode …«, erwidert Vonwegh und bricht ab, erleichtert, befreit; indem er Brillmann hier vor allem die äußerste Demütigung antut, erringt er auch die größte Befriedigung, die es für einen Mann seines Schlages geben kann. »Haun Sie ab!« sagt er unvermittelt.
Alle betrachten ihn ungläubig. Selbst Brillmann versteht nicht.
»Gehen Sie zurück ins Reichssicherheitshauptamt … Morden Sie weiter!« sagt Vonwegh fast achtlos. »Unterstützen Sie noch ein paar Monate die Zentrale … und denken Sie an mich, wenn Sie dann unter irgendeinem Galgen stehen … Haun Sie ab! … Ich will dem Strick nicht vorgreifen …«
Brillmann begreift, ohne etwas zu sagen. Wie gehetzt läuft er auf den Ausgang der Ruine zu.
»Stopp!« ruft Vonwegh.
Brillmann duckt sich sofort. Die Falle, überlegt er, aus, vorbei.
»Wollen Sie sich nicht von Ihren … Kameraden verabschieden?« fragt der Kompaniechef, jetzt distanziert-arrogant.
»Ja … jawohl …«, antwortet Brillmann beflissen. Er geht auf sie zu.
Der Gorilla tritt ihn noch einmal in den Bauch. Kordt läßt ihn stehen und dreht sich um. Kirchweins Hand ist heiß. Die anderen reagieren gleichgültig bis verworren.
Zuletzt steht Brillmann vor Vonwegh. Sein schweißnasses Gesicht wirkt ratlos. Er ist durch die Mühle gedreht, windelweich, fix und fertig. Und in diesem Moment geht die Hand, die die MP hielt, mit dem Finger, der den Druckpunkt nicht schaffte, langsam, wie von einer Schnur gezogen, hoch, kommt tastend und zögernd auf Paul Vonwegh zu.
»Danke«, sagt der Mann, von dem alles abprallt, sogar die letzte Versuchung, Brillmann den geballten Speichel ins Gesicht zu spucken. »Meiden Sie sich beim Spieß!« Eine Handbewegung noch, und Paul Vonwegh geht dazu über, den Einsatz zu besprechen.
Kortetzky, der Gorilla, will Brillmann verstohlen auf eigene Faust folgen. Aber der Kompanieführer pfeift ihn zurück. Gruhnke mault, ein paar fluchen. Nur Kordt begreift, daß Paul Vonwegh, den er anbetet, seinen Zweikampf endgültig gewonnen hat …
In den ersten Tagen einer Freiheit, in die Karen übergangslos hineingestoßen wurde, kam sie sich
Weitere Kostenlose Bücher