Brigade Dirlewanger
ihren Gesichtern: Wenn der Chef ein Schäferstündchen einlegt, kommen die rettenden Panzer vielleicht doch noch rechtzeitig …
Dirlewanger bietet der Ärztin Platz an. Er ist höflich, fast galant. Ist es eine Laune, oder geht von dieser Frau eine Wirkung aus, der er sich nicht entziehen kann? Er benimmt sich so einwandfrei, daß die Polin es später nicht glauben kann, in diesen Nachtstunden Dirlewangers Gast gewesen zu sein.
Er bietet ihr eine Zigarette an. »Tut mir leid«, sagt er mit seiner heiseren Stimme. »War es schlimm?«
Johanna starrt auf den Boden. Langsam kommt wieder Leben in die Ärztin, die später vor der Untersuchungskommission eine wichtige Zeugin sein wird. »Ich verstehe das nicht«, erwidert sie. »Ich bin Polin, aber ich habe nie etwas gegen die Deutschen gehabt … hab' sie immer verteidigt, auch im Krieg noch …«
»Prima …«, versetzt der SS-Oberführer und feixt.
»Krieg ist nie etwas Gutes«, entgegnet Johanna in einwandfreiem Deutsch, »und immer passieren Scheußlichkeiten auf beiden Seiten … und vieles stellt sich vielleicht hinterher nur als Propaganda heraus … Aber das hier … verstehe ich nicht …«
»Was?« fragt Dirlewanger.
»Was Menschen Ihrer Nation hier tun … Deutschland ist doch ein hoch stehendes Land, mit …«
»Was Sie hier sehen«, versetzt der SS-Oberführer stolz, »das ist noch gar nichts … im Vergleich zu dem, was wir in Russland gemacht haben …«
Die junge Ärztin betrachtet den Offizier verwirrt.
»Wir müssen es tun«, erklärt Dirlewanger knurrend, »wenn wir den Endsieg erringen wollen …« Er wirft seine Kippe weg. Sein hageres, eingefallenes Gesicht sieht aus, als wäre es von einer dünnen Wachsschicht überzogen. »Wir müssen alle rassisch wertlosen Menschen einfach ausrotten!«
Die Polin schweigt. Die Worte ätzen sich in ihr Bewußtsein, obwohl sie keines in diesem Moment begreift, trotz eigener Erlebnisse.
Dirlewanger hat genug von dem Nachtgespräch. Er winkt einen seiner Burggendarmen heran. »Bringen Sie die Frau in Sicherheit«, befiehlt er, »schaffen Sie sie selbst zurück!« Seine Stimme klingt monoton, gleichgültig, als er hinzusetzt: »Wenn ihr etwas zustößt, lasse ich Sie umlegen.«
Der Mann haut die Hacken zusammen. Die Polin möchte sich noch bedanken. Dirlewanger nickt ihr zu. Zum ersten Mal sieht sie richtig sein Gesicht und erschrickt. Aber sie begreift, daß sie gerettet ist, und das ist im Augenblick wichtiger als alles andere, und sie würde selbst dem Teufel noch die Hand drücken, wenn er sie aus dieser Hölle geholt hätte.
Der Chef der Sonderbrigade versammelt seine Unterführer. »Hab's jetzt satt!« beginnt er. »Wir greifen um Punkt sieben Uhr an, ob die Panzer da sind oder nicht.«
»Jawohl, Oberführer«, erwidern sie.
»Die Einteilung bleibt … die Gruppe Vonwegh links, Weise auf dem rechten Flügel … Sie greifen zuerst an, um diese verfluchten Polen abzulenken, und wir stoßen in der Mitte durch … ist das klar?«
»Jawohl, Oberführer«, wiederholen sie und wissen, daß dieser Wahnwitz heute auch nicht vernünftiger sein wird als gestern.
Von nun an starren sie abwechselnd auf die Uhr. Die Zeit läßt sich Zeit. Der Wind dreht leicht. Der Qualm treibt Tränen in ihre Augen. Der Himmel wird schon hell, aber er bleibt seltsam verhangen, grau und trübe, als trüge er eine Binde vor den Augen, um das Furchtbare nicht mit ansehen zu müssen.
Und dann, kurz vor sieben Uhr, hören die B-Soldaten ein Geräusch und kommen aus der Erstarrung zu sich. Ein Panzer. Auch Dirlewanger lächelt.
»So«, sagt er, »und jetzt machen wir«, er deutet nach drüben, »diese Pakstellung in aller Ruhe zur Minna!«
Daß es nur ein alter Panzer ist, dessen Turmluke sich jetzt öffnet, dämpft seine Zufriedenheit nicht weiter. Ein junger Leutnant mit einem alten Gesicht macht eine nachlässige Ehrenbezeigung und meldet sich zur Stelle.
»Sie kommen gerade noch zurecht … Direkt vor Ihnen steht die Pak, die walzen Sie nieder … Wir hatschen gleichzeitig hinter Ihnen her …«
»Ich bin nicht verrückt!« erwidert der Panzeroffizier betont zivil.
Dirlewangers Stirnadern schwellen an. »Herr«, brüllt er, »Sie werden den Befehl ausführen!«
»Ich denke nicht daran!« entgegnet der Offizier. »Wenn's bloß aufgelegter Mord wäre, wär's mir wurscht …« Er feixt schiefmäulig. »Ich habe auch meine Befehle … Das ist Verschwendung von Wehrmachtseigentum, das ist
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